Sardine

Wir haben zuerst „Tat oder Wahrheit“ gespielt, dann das Werwolfspiel und gegen Mitternacht das Sardinenspiel. Ich habe mich als erste versteckt, in dem Besenschrank unter der Kellertreppe. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Schrank geöffnet wurde. Draußen war es dunkel. Er hatte kein Licht gemacht. Er kroch neben mich und zog die Tür von innen zu; ich sah nichts, aber ich erkannte ihn am Geruch. Es war der Fotograf. Der mit den schwarzen Haaren. Er saß so dicht neben mir, dass mich seine Locken an den Schläfen kitzelten. Die Zeit verging. Er erzählte. Ich hörte Stimmen von der Kellertreppe her, Rufen, das sich entfernte. Er erzählte mir von einer arabischen Prinzessin, die auf einer Jacht nach Monaco gekommen war, um an einer Spendengala teilzunehmen. „Eine der teuersten Jachten der Welt!“, flüsterte er. „Sie war so groß, dass sie nicht in den Hafen hineinpasste, sondern draußen am Wellenbrecher ankern musste, und sie war schlank und schön wie ein riesiger Delfin, einhundert Meter lang und fünf Stockwerke hoch ... Die Prinzessin flog jeden Morgen mit dem Helikopter vom Schiff aus an Land. Die Ladenbesitzer in Monaco ließen extra ihre Schaufenster frisch putzen, dass sie funkelten wie Kristalle, alles für die Prinzessin … Man hoffte, sie würde Unmengen Geld ausgeben. Es gab einen Sandstrand an Bord der Jacht, stell dir vor, ein Strandbad mit aufgeschütteter Düne, sie hatte die Küste auf ihr Schiff gebracht. Dort lag sie auf einem Handtuch und hielt die Füße ins Wasser … Und sie hatte ein Salzwasseraquarium mit Korallenriff einbauen lassen, das groß genug zum Tauchen war.“ Er zog die Tür fester zu, als ein Lichtstrahl von draußen die Ritzen aufleuchten ließ: ein helles Viereck. Wir hielten den Atem an, bis das Licht wieder gelöscht wurde. „Sie schnorchelte darin, verstehst du, in diesem Aquarium, sie tauchte unter Wasser und besah sich die blauen und gelben Fische, die Seeanemonen, die Korallenzweige, es war alles nur für sie gebaut worden … Bei der Wohltätigkeitsgala gewann sie den ersten Preis in der Tombola. Es war eine Reise um die Welt. Mit Linienflugzeugen. Voll Freude bedankte sie sich … sie könne es gar nicht erwarten, sie sei noch nie mit einem Linienflugzeug geflogen … Ihre Jacht hatte einen eigenem Sandstrand und eigenes Korallenriff und einen Esstisch, fünfundzwanzig Meter lang und mit Gold und Smaragden intarsiert.“ Ich griff nach seiner Hand und befühlte die glatten Ringe – einer am kleinen Finger, einer am Daumen – und die kurzen, stumpfen Fingernägel. Es war stickig in der Besenkammer. „Ich bin korallenresistent“, flüsterte ich, „ich trage nur Stahl.“

Blubbern als Kunst!

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Wort des Monats

"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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