Am Anfang war das Feuer

Ewald war ja schon wieder mit seinem Camper unterwegs, hat er mir erzählt. Wie immer ziemlich planlos. Auf beharrliches Nachfragen habe ich herausbekommen, dass er in Frankreich war. Und dass er irgendwann am Horizont in der Ferne den Mont St. Michel gesehen hat. Also war er wohl in der Bretragne. Oder der Normandie. Oder bei den Sch'tis, mit einem guten Fernglas.
Mehr hat er nicht erzählt, trotz weiteren beharrlichen Nachfragens. Ewald erzählt ja nie viel. Was wahrscheinlich daran liegt, dass er so wenig sieht. Zum Beispiel hat er nicht mitbekommen, dass seine Nachbarn im Camp ein Häschen dabeihatten. Er meint, sie hatten einen Beistelltisch und darauf standen der Topf mit Muscheln und die Weinflasche. Dass es kein Beistelltisch war, sondern ein Hasenstall mit einem schwarzweiß gefleckten Häschen darin, hat mir dann die Ewaldine berichtet.
Auch von den Campern hinter ihm hat Ewald nichts gesehen (wahrscheinlich, weil sie hinter ihm waren). Nach Ewaldines Kopfzählung waren es Stücker zehn. Alle so um die zwanzig alt. (Besser als zwanzig um die zehn alt.) Die hatten eines dieser Wurfzelte, bei denen man weder Gestänge noch Planen händeln muss. Sie sind leicht aufgebaut: man wirft sie in die Luft und wenn sie wieder runterkommen, stehen sie. Schwieriger ist es mit dem Abbau. Ewaldine meint, vier von den zehn Campern hätten Waschbrettbäuche gehabt. Die hätten sich zu viert auf das Zelt draufgeworfen, um es zu bändigen und in die Tasche zu wurschteln. Wahrscheinlich machten sie das schon länger und waren deshalb so gut trainiert.
All das hat Ewald nicht gesehen. Er war gerade damit beschäftigt, sein Navi-Gerät zurechtzuweisen.
Voriges Jahr hat er mir geschrieben, er hätte zwei Rocker beobachtet, die ein großes Steak hatten, aber keinen Grill. Die haben einfach Öl über ihr Steak geschüttet, es auf einen Kanaldeckel gelegt und angezündet.
Am Anfang war bekanntlich das Feuer. Und bei manchen Campern ist es auch beinahe schon das Ende. Ewald hat gerade gemütlich neben seinem Camper gesessen und versucht, das Verfallsdatum auf seiner Schinkenpackung zu entziffern. Gegenüber am Kiesweg war eine Wasserzapfstelle. Ewald hörte plötzlich ein "Fump", das klang, als hätte jemand eine gigantische Champagnerflasche geöffnet. Als er von seiner Schinkenpackung aufschaute, bekam er gerade noch mit, wie ein dicker nackter Mann an den Wasserhahn stürzte, ihn bis zum Anschlag aufdrehte und sich in ganzer Länge darunter warf. Er ließ das eiskalte Wasser auf sich herabprasseln, ohne einen Laut von sich zu geben. Ewald ist ganz schnell in seinen Camper zurück unter dem Vorwand, dass er seinen Schinken in den Kühlschrank legen musste. In Wirklichkeit war ihm unheimlich.
Die Ewaldine ist dann aber am nächsten Tag zwei Mumien begegnet, beide von oben bis unten in weiße Binden eingewickelt, die auf dem Campingplatz spazieren gingen. Das waren der dicke Mann und seine Frau. Sie hatte bloß ein wenig Benzin auf ihren Grill geschüttet, damit es schneller geht.
Ganzkörperepilation in drei Sekunden, sagte die Ewaldine dazu.
Bemerkenswert fand sie aber, dass kein Klagen und kein Schimpfen zu hören war. Weder als es passierte (kein Schmerzenslaut), noch später. Die Leute machten sich gar nichts daraus. Spazierten mit ihrer Ganzkörperbandage durch den Campingplatz, als sei nichts gewesen. Dem Häschen ist auch nichts passiert. Es hat sogar sein Fell noch.

Blubbern als Kunst!

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