Cora, again

Wie soll man das nennen? Magie, oder Flow? Eins ist sicher: Noch nie hat Cora so viel und so schnell gelesen. Am achten Tag ihres Aufenthalts hat sie schon fünf dicke Bücher verschlungen. Sie hat sich einen Zeitplan angewöhnt: Vormittags hat das Café geschlossen; Cora frühstückt in ihrem Apartment auf der Terrasse und hört dem Donnern des Meeres zu, geht danach Brot und Wasser kaufen und macht und einen Spaziergang; zweimal rafft sie sich zu einer längeren Wanderung auf, aber der Höhepunkt des Tages ist der Besuch im Lesecafé. Es ist immer ein Stuhl für sie frei. Das Publikum wechselt; manchmal steht noch ein vierter Tisch da, der (gleichfalls wohl durch Magie) noch in dem winzigen Hof Platz findet; manchmal sitzen bis zu sieben Leute da – irgendwie reicht es immer für alle, das ist geradezu biblisch. Und immer ist noch ein Stuhl frei für Cora. Sie nimmt jeden Tag ein neues Buch. Es kann noch so dick sein, bis zum Abend hat sie es durch. Am zweiten Tag liest sie „Der Schatten des Windes“ von Zafon. Der traurig dreinblickende Keller bringt ihr eine Halbliterflasche Rotwein und ein Holzbrettchen mit knusprigem Brot, Serranoschinken und karamelisierten Zwiebeln, auf Holzspieße gesteckt – köstlich. Am dritten Tag greift sich Cora, die bei der Buchwahl noch immer nicht richtig hinsieht, einen Roman von Jane Austen und bekommt dazu einen Teller Ingwerkekse und eine Kanne mit erlesenem Tee von orangeroter Tönung. Am vierten Tag sucht Cora ihr Buch endlich gezielt aus und tut prompt einen Fehlgriff – der Autor ist ein deutscher Krimischreiber, der Krimi ein unlogisches Gestotter, und zu essen gibt es eine Riesenschüssel Kartoffelchips. Cora lässt beides halb bewältigt stehen und nimmt sich vor, die Auswahl am nächsten Tag wieder dem bewährten Zufall zu überlassen.
Der Zufall schenkt ihr den „Mantel“ von Gogol, und Cora bibbert beim Lesen auf ihrem Stuhl, schlürft die heiße Rassolnik-Suppe vom Löffel und isst Kartoffelbrot dazu. Die Suppe wärmt so angenehm – sie friert tatsächlich, so ohne Mantel! Am Morgen darauf hat sie zum ersten Mal das Gefühl, vielleicht doch nicht ganz das Richtige zu tun. Während sie auf ihrem Balkon frühstückt, kommt ihr das Meer lauter vor als je zuvor, und ein paarmal kommen vereinzelte Gischtspritzer über das Geländer geflogen. Der Kaffee schmeckt unangenehm – irgendwie nach Salz.

Blubbern als Kunst!

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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