Caferomatica ...

Ewald hat es mit dem Magen. Da ist er natürlich nicht der einzige, in diesen Zeiten und in seinem Alter hat es jeder mit dem Magen. Die einen wegen zuviel Stress und unzureichend verdautem Alltag, die anderen wegen zuwenig Aufregung (auch das ist nicht gut, hat mich Ewald belehrt, man kriegt die Gicht davon). Ewald hat eine Ernährungsberaterin aufgesucht und erfahren, dass sein Organismus total übersäuert sei.
Ewald ist noch nicht sicher, ob und wie er nun seine Ernährung umstellen wird (oder vielmehr die Ewaldine anhalten wird, seine Ernährung umzustellen), aber einen Hauptfeind der gesunden Verdauung hat er jedenfalls ausgemacht, und das ist die Kaffeemaschine. Ewalds Kaffeemaschine war ein Werbegeschenk, das er mittels Zusammensparen von Webmiles erworben hat, und sie macht ganz gewöhnlichen Kaffee, indem sie kochendes Wasser in eine Filtertüte mit Kaffeepulver träufelt. Wenn die Kanne nicht sofort leergetrunken wird, hat die Ewaldine mir anvertraut, fängt sie nach einer Stunde an zu stinken. Abgestandener Kaffee aus dieser Maschine stinkt fürchterlich. Was weder Ewald noch Ewaldine abhält, die Kanne leerzutrinken, auch nach Stunden noch, denn Kaffee ist Medizin und wenn man genug Süßstoff drangibt, schmeckt man den Gestank gar nicht mehr raus.
Trotzdem ist diese Kaffeemaschine die Wurzel allen Übels, hat Ewald entschieden. Viel besser ist eine Maschine, die immer nur eine Tasse brüht, und zwar aus Kaffee, den sie zuvor selbst gemahlen hat. In einer solchen Maschine wird der Kaffee auch nicht im üblichen Sinn gebrüht, sondern unter Hochdruck durchs Pulver hindurchgepresst, so dass er schäumt. Das schmeckt viel besser und ist viel bekömmlicher, sagt Ewald. Er fühlt sich schon viel gesünder, seit diese Maschine in seinen Haushalt eingezogen ist. (Da sie einen halben Quadratmeter Grundfläche hat und einen gefühlten Zentner wiegt, musste Ewaldine ihr Mikrowellengerät und den Standmixer in die Besenkammer umsiedeln, aber es lohnt sich.)
Trotzdem hängt seit Anschaffung dieser Maschine irgendwie der Haussegen schief bei Ewalds. Ich kann das von meiner Zaungastposition aus deutlich erkennen. Ewaldine hat, wo sie geht und steht, neuerdings Schilder dabei. Wenn sie etwa im Garten den Salat wässert oder Erdbeeren pflückt, kommt Ewald gelaufen und will irgendwas von ihr. Dann langt sie neben sich und hält ihm ein Schild vor. Ich kann nicht genau erkennen, was darauf steht, aber jedenfalls dreht sich Ewald dann jedes Mal um und verzieht sich, ohne ein Wort zu sagen.
Irgendwann machte mich das so neugierig, dass ich die Ewaldine gefragt habe, was sie da für Schilder hat.
Daraufhin hat sie mir die Schilder gezeigt. Sie macht jeden Tag neue. Auf einem steht etwa „Garage aufräumen“, auf einem anderen „Zahnarztrechnung bezahlen“ und auf einem dritten „Socken von links nach rechts drehen“. Nebenbei bemerkt, die Schilder wechseln zwar häufig, aber das mit den Socken ist ständig in Gebrauch. Ewaldine ist durch die Kaffeemaschine darauf gekommen, diese Schilder zu malen, hat sie mir erklärt.
Die Kaffeemaschine hat nämlich einen starken Charakter. Man muss sich das so vorstellen: Ewald kommt morgens gähnend in die Küche geschlichen, schiebt eine leere Tasse unter die Maschine und bittet um 240 ml Kaffee, normal gebrüht. Die Maschine antwortet in rot blinkender Leuchtschrift: „Bitte spülen“. Also drückt Ewald den Serviceknopf und wartet gähnend, bis die Maschine alle Leitungen gespült und etwas braune Brühe in Ewalds Tasse gerotzt hat. Dann muss Ewald die Tasse ausspülen und wieder unter den Auslauf schieben. Alsdann bittet er erneut um 240 ml Kaffee. Die Maschine antwortet in Rot: „Schalen leeren“, was heißt, Ewald muss den kalten Kaffeesatz von gestern ins Klo kippen und den entsprechenden Behälter mit der Spülbürste säubern; eher kriegt er keinen Kaffee. Ist das erledigt und Ewald bittet erneut submissest um 240 ml Kaffee, fehlt plötzlich das Wasser („Wasserbehälter füllen“), der Filter muss ausgewechselt werden („Filter wechseln“) oder es sind nicht genug Bohnen im Behälter („Bohnen nachfüllen“). Jeder Aufforderung ist mit größter Sorgfalt nachzukommen, vorher rückt die Maschine keinen Kaffee raus. Bis Ewald dann endlich Kaffee hat, ist er oft schon vor Beginn des Arbeitstages total erledigt. Auf Argumente wie: „Gib mir erst Kaffee, nachher mach ich alles, was du willst!“ antwortet die Maschine mit sturer Wiederholung des Arbeitsauftrags. Nichts zu machen.
Das Prinzip ist äußerst verlockend. Ich kann verstehen, dass die Ewaldine es sich sofort zu eigen gemacht hat. Seitdem hantiert sie also ständig mit ihren Schildern, und ehe Ewald nicht erledigt hat, was draufsteht, rührt sie sich nicht von der Stelle.
Ob Ewald merklich gesünder ist, bezweifle ich. Wahrscheinlich ist sein Organismus mittlerweile noch übersäuerter als vorher, als er noch den abgestandenen Stinkkaffee aus der alten Maschine in sich hineinkippen musste.

Blubbern als Kunst!

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