Bergauf ...

"Aufsteigend mußt du dich bemühen,
doch ohne Mühe sinkest du.
Der liebe Gott muß immer ziehen,
dem Teufel fällt's von selber zu."

So sprach Wilhelm Busch. Wer je bergwandernd unterwegs war, weiß zwar, dass bergab kein bisschen weniger anstrengend ist als bergauf, es ist nur halt irgendwie anders anstrengend, es geht mehr in die Sehnen und die Bänder und weniger auf Muskeln und Kreislauf. Jedenfalls hat sich in der allgemeinen Meinung festgesetzt, bergauf sei mühevoller als bergab.

Eine Ausnahmeerscheinung ist, wie immer, der Hase: Er ist bergauf am schnellsten. Der ganze Körperbau des Hasen scheint fürs Bergauf-Laufen konzipiert. Dem Hasen dürfte mithin die Tugend leichter fallen als dem Menschen. Folglich taucht er in der christlichen Ikonographie (trotz seines sprichwörtlichen "oversexed"-Images) relativ häufig auf:


Andrea Mantegna: Christus am Ölberg im Garten Gethsemane, ca. 1455

Am linken Bildrand ist der Hase unterwegs, und zwar bergauf. Schaut man genau hin, scheint sogar ein zweiter angeschnitten zu sein; ich kenne das Bild leider nicht im Original.



Mantegna dürfte mit dieser Hasenpräsenz auf Psalm 34 angespielt haben: Suche auch du, Mensch, den Felsen, wenn du verfolgt wirst vom bösen Hunde, dem Dämon. Wenn er sieht, dass der Mensch bergab läuft und die irdischen und Alltags-Dinge im Herzen trägt, so kommt er ihm eifriger nach mit Hilfe verwirrender Gedanken. Wenn er aber sieht, dass er im Willen Gottes läuft und den wahrhaften Felsen, unseren Herrn Jesus Christus, sucht und auf den Gipfel der Tugend steigt, so wendet sich der Hund nach dem Worte Davids. (Psalm 34)
Mit anderen Worten, die wahre Tugend läuft bergauf und entkommt dem Versucher; wer hingegen schon auf dem absteigenden Ast unterwegs ist, fällt weiteren Lastern leicht zum Opfer. Und der Hase ist da keine Ausnahme! Es genügt nämlich nicht, ruhend auf einer Stelle zu verharren, wie es Hasen so gern tun (ich beobachte das bei meinen täglich); man muss rennen, und zwar bergauf - schon wer rastet, der rostet unaufhaltsam! Hier ist der Beweis:



Hasen, die reinweg gar nichts tun, sondern in der Gegend rumglotzend tratschen, womöglich Vorbereitungen zur Unzucht treffen, die sind im nächsten Augenblick eingekesselt zwischen Christus und seinen Häschern (- nicht Häschen - warum hätte ich mich hier beinahe vertippt??), mithin zwischen Laster und Tugend, und wissen vermutlich nicht mehr ein noch aus. Gut, dass wenigstens einer entkommt. Und den nimmt sich denn auch prompt die Madonna zur Brust, denn er hat es verdient:


Tizian: Maria mit Christuskind, der hl. Katharina und Johannes dem Täufer, ca. 1530

Wer immer ihn (den Hasen) auf seinem weiteren Lebenshoppel sichtet - bitte melden! Irgendwann stelle ich hier ein Hasen-Road-Movie zusammen.

Addendum

Meine Tochter hat ein neues Notebook. Öffnen wir den Karton, danach den Innenkarton und daraufhin den Ganzinnenkarton, so fällt uns als erstes ein Zettel mit der Überschrift "Addendum für XY Notebooks" in die Hände. Darauf findet sich in vier Sprachen folgender wichtige Hinweis: "Bevor Sie zum ersten Mal das Notebook einschalten, stellen Sie bitte sicher, dass es mit einer Netzstromquelle (Steckdose) verbunden ist."
Das erinnert mich an mein neues Hobby: Ich sammle Dummsätze. Ein schönes Beispiel stammt leider von meinem Mann. Der Anlass für den Erwerb des neuen Notebooks war nämlich, dass Tochter das alte geschrottet hat. Die Festplatte ist über die Wupper. Aber mein Mann kennt jemanden, der jemanden kennt, der das bestimmt in Ordnung bringen kann. Zu dem wurde das malade Notebook alsbald gebracht und ihm, da gerade nicht zu Hause, bereitgestellt mit einer daranhängenden Notiz, etwa so:
- Der Rechner fährt nicht mehr hoch.
- Das letzte, was die Benutzerin gesehen hat, war der Verabschiedungsbildschirm.
- Festplatte scheint kaputt zu sein, CD-Laufwerk brennt schon länger nicht mehr.
- Auf dem PC befinden sich zahlreiche Dateien.

Haben Sie den Dummsatz erkannt? "Auf dem PC befinden sich zahlreiche Dateien." Nicht zu glauben. Ehrlich?
Ein schönes Beispiel eines Dummsatzes fand ich in Jean-Christophe Grangés "Das Imperium der Wölfe". Die Heldin Anna Heymes hat merkwürdige Zustände; völlig Fremde kommen ihr bekannt vor, dafür erkennt sie ihren eigenen Mann nicht mehr. Sie sucht eine Analytikerin auf. Diese lässt sich den Zustand schildern und stellt als erstes die Frage: "Haben Sie es mal mit einer guten Brille versucht?"
Das ist zwar eigentlich kein richtiger Dummsatz, denn die Analytikerin ist nicht dumm, es ist ein Gemeinsatz. Aber hätte sie ihn nicht aus Gemeinheit, sondern aus Dummheit geäußert (was zwanglos vorstellbar wäre), wäre es ein Dummsatz.
Reich an Dummsätzen sind Kochbücher und Anleitungen, wofür auch immer. Vor vielen Jahren gewann ich bei einer Tombola ein Taschenbuch mit dem Titel "Brot für Genießer". Im Vorwort findet sich folgende geistreiche Bemerkung: "Eine Anleitung, um Wurst auf Brot zu legen, werden Sie hier nicht finden." Was dann wirklich in dem Buch zu finden war, weiß ich nicht mehr, aber diesen Satz habe ich mir gemerkt.
Andere können sich gar nichts merken. Leonard, der bei einem Unfall sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat, macht in "Memento" alle Leute darauf aufmerksam, dass er sie bei der nächsten Begegnung nicht wiedererkennen wird. Aus den Augen, aus dem Sinn. Immerhin bringt er geistreiche Dummsätze zustande. Eine Kellnerin erinnert sich: "Ach ja, wir sind uns schon mal begegnet. Sie sind der mit dem Gedächtnis." Darauf Leonard: "Nein, ich bin der ohne."
(Als ich kürzlich den Film noch mal sah, kam der Satz nicht mehr vor. Vielleicht habe ich ihn mir nur eingebildet und entschuldige mich sicherheitshalber für die Unterstellung.)
Die Krönung aller Dummsätze hebe ich mir bis zum Schluss auf. Es ist der Satz: "Ich habe nicht gewusst, dass der Schwamm nass sein muss." Eigentlich hatte ich gehofft, den Satz nicht erklären zu müssen, und habe deshalb eben damit gegoogelt. Leider gibt es im Netz keinen Verweis auf den Zusammenhang. Also, wohl oder übel: Der Satz stammt aus dem Film "The Green Mile" und fällt im Zusammenhang mit einer Vollstreckung auf dem elektrischen Stuhl. Ich lasse die Einzelheiten mal weg, es ist eine scheußliche Szene, aber der Satz ist vorbildlich für alle Dummsätze.
Wer noch einen hat, möge ihn äußern.

Blubbern als Kunst!

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(Meridian 2/2012)

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