Im Licht der Idiotenlaterne ... *)
Jede Woche sehe ich mir im Fernsehen den Maler an. Er hat eine halbe Stunde Sendezeit und malt in dieser Zeit ein komplettes Bild. Zu Beginn der Sendung präsentiert er seine Palette mit den dick aufgespachtelten Farbvorräten. Die vorgrundierte Leinwand. Er erklärt alles ganz genau, aber da er Englisch spricht und obendrein sehr gedämpft, verstehe ich nicht viel.
Allerdings geht es von Mal zu Mal besser.
Er sieht aus wie 45, schlank, mit borstigem Haar. Auf der Handfläche hat er zwei winzige graue Eichhörnchen. Er zeigt sie zu Beginn der Sendung, versenkt sie in der Brusttasche seines Hemds und nimmt die Palette zur Hand, erklärt die Farben und die Leinwand. Die Brusttasche beult sich aus. Er bürstet Himmel und Wasser auf die Leinwand und fragt zwischendurch in Richtung der Tasche: "You're allright, little guys?" Innerhalb einer halben Stunde entsteht ein Berggipfel mit Gletscher, ein bewaldetes Seeufer, ein Riesenbaum links, ein kleinerer Baum daneben. Ein See mit klar spiegelndem Wasser, im Vordergrund ein Hohlweg, Gebüsch, auf die Zweigspitzen getupfte Glanzlichter, "that easy. You decide. That easy."
Ich denke dabei an Henning Mankells Kommissar, dessen Vater zeit seines Lebens zwei Sorten Waldlandschaften malte, eine mit und eine ohne Auerhahn: Seit ich die Sendereihe verfolge, ist auf allen Bildern fast das gleiche zu sehen; eine Bergkette, Wald, Fluss oder See, ein großer Baum im Vordergrund, ein kleinerer daneben. "This big tree needs a friend. You're allright, little guys?" Er spricht beinahe im Flüsterton. Fröhliche kleine Hütten, heitere kleine Berge bevölkern die Leinwand; alles ist ganz einfach und freut sich des Lebens.
Ich muss immer wieder daran denken, dass er selbst längst nicht mehr lebt, ganz jung gestorben ist, nur wenig nach Fertigstellung der Sendereihe. Ich würde gern etwas anderes von ihm lernen als Malerei, das kann ich sowieso nicht, schon gar nicht fröhliche kleine Hütten und heitere kleine Berge. Bestimmt weiß er mehr, aber das verrät er nicht. In seinem gemurmelten Tonfall, den in Rekordzeit entstehenden Traumlandschaften, Polarlicht, spiegelndem Eis, dem geflüsterten "Happy painting, and God bless you" am Ende versuche ich eine Ahnung zu finden. Die beiden Eichhörnchen in seiner Hemdtasche halten ganz still; die Beule ist sichtbar, bewegt sich jedoch nie. Vermutlich sind sie, von seinem Körper gewärmt, gleich eingeschlafen.
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*) = Fernsehen
Allerdings geht es von Mal zu Mal besser.
Er sieht aus wie 45, schlank, mit borstigem Haar. Auf der Handfläche hat er zwei winzige graue Eichhörnchen. Er zeigt sie zu Beginn der Sendung, versenkt sie in der Brusttasche seines Hemds und nimmt die Palette zur Hand, erklärt die Farben und die Leinwand. Die Brusttasche beult sich aus. Er bürstet Himmel und Wasser auf die Leinwand und fragt zwischendurch in Richtung der Tasche: "You're allright, little guys?" Innerhalb einer halben Stunde entsteht ein Berggipfel mit Gletscher, ein bewaldetes Seeufer, ein Riesenbaum links, ein kleinerer Baum daneben. Ein See mit klar spiegelndem Wasser, im Vordergrund ein Hohlweg, Gebüsch, auf die Zweigspitzen getupfte Glanzlichter, "that easy. You decide. That easy."
Ich denke dabei an Henning Mankells Kommissar, dessen Vater zeit seines Lebens zwei Sorten Waldlandschaften malte, eine mit und eine ohne Auerhahn: Seit ich die Sendereihe verfolge, ist auf allen Bildern fast das gleiche zu sehen; eine Bergkette, Wald, Fluss oder See, ein großer Baum im Vordergrund, ein kleinerer daneben. "This big tree needs a friend. You're allright, little guys?" Er spricht beinahe im Flüsterton. Fröhliche kleine Hütten, heitere kleine Berge bevölkern die Leinwand; alles ist ganz einfach und freut sich des Lebens.
Ich muss immer wieder daran denken, dass er selbst längst nicht mehr lebt, ganz jung gestorben ist, nur wenig nach Fertigstellung der Sendereihe. Ich würde gern etwas anderes von ihm lernen als Malerei, das kann ich sowieso nicht, schon gar nicht fröhliche kleine Hütten und heitere kleine Berge. Bestimmt weiß er mehr, aber das verrät er nicht. In seinem gemurmelten Tonfall, den in Rekordzeit entstehenden Traumlandschaften, Polarlicht, spiegelndem Eis, dem geflüsterten "Happy painting, and God bless you" am Ende versuche ich eine Ahnung zu finden. Die beiden Eichhörnchen in seiner Hemdtasche halten ganz still; die Beule ist sichtbar, bewegt sich jedoch nie. Vermutlich sind sie, von seinem Körper gewärmt, gleich eingeschlafen.
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*) = Fernsehen
schmollfisch - 15. Okt, 01:18