Der Zauberstab
(Aus urheberrechtlichen Gründen alle Bilder sicherheitshalber gelöscht)
Zu Händels Oper Rinaldo in der Inszenierung von David Alden, Premiere war im Jahr 2000 bei den Münchner Opernfestspielen, habe ich mal in einer Kritik den Satz gelesen: »Alden verglich in seiner Inszenierung das überschäumende barocke Lebensgefühl mit der heutigen Spaßgesellschaft und versetzte die Handlung teilweise auf einen Rummelplatz.«
Ich kann das bestätigen, ich habe die Übertragung damals gesehen, sogar auf Tape mitgeschnitten, und es ist mir sogar gelungen, dieses Tape zu digitalisieren und auf DVD zu brennen. Ich sehe und höre es immer wieder gerne, obwohl nicht weniger als vier Countertenöre um die Wette säuseln. Einer besser als der andere.
Barockoper = Spaßgesellschaft. Eine ähnliche Vision haben wohl auch die Macher von Enchanted Island gehabt, jedenfalls wäre für die optischen Effekte in der Inszenierung aus der Met kein Superlativ zu hoch gegriffen. Voll fett, krass, überbordend, immer und immer noch einen drauf. In einem Pauseninterview sagte der Regisseur sinngemäß: »Wir haben uns gedacht, wenn wir schon Barockoper machen, dann auch gleich richtig.«
Ich glaube, die großartige Joyce DiDonato hatte in jeder einzelnen Szene, in der sie auftrat (und das waren nicht wenige), ein neues Kostüm und ein neues Haarstyling. Selbst der Luftgeist Ariel, gesungen von Danielle de Niese (agil-irrwischartig), bekam extra für die letzte Arie ein neues Kostüm verpasst, das direkt aus Farinelli stammen könnte.
(Bild gelöscht)
David Daniels (zum Niederknien wie immer) hatte, abgesehen von seinen Arbeitsklamotten (Lederschürze und Ärmelschoner) mindestens zwei aufwendige Brokatfummel. Lediglich Neptun (Placido Domingo, tragikomisch), Miranda (toll) und Caliban (Pisaroni, wuchtig) mussten mit nur einem Styling auskommen. Dafür hatte Caliban aber eine äußerst aufwendige Maske, einen künstlichen Bauch und Orkfüße. Mit ein paar kleinen Änderungen hätte er als Uruk-hai im Herrn der Ringe durchgehen können.
(Bild gelöscht)
Überhaupt gab es die eine oder andere Anleihe bei Tolkien; Prospero hatte gleich zu Beginn eine Art Palantir in der Hand, und sein Zauberstab sah sehr nach Gandalf aus.
.
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Womit ich endlich beim Thema bin: Der Zauberstab.
Eine der effektvollsten Theaterszenen, die ich kenne, ist diejenige aus Shakespeares Sturm, als Prospero seinen Zauberstab zerbricht. Ich habe sie leider nur zweimal im Fernsehen gesehen – einmal gespielt von Helen Mirren in der Neuverfilmung des Sturm und einmal vor vielen Jahren gespielt von John Gielgud in Greenaways Prosperos Bücher. Speziell Gielguds Darstellung werde ich nie vergessen. Nach all dem ungeheuren Aufwand, den er getrieben hatte, um sich seinen unfreiwilligen Inselaufenthalt zu verschönern, erschien er in dieser Szene nackt und bloß in ärmellosem Unterhemd. Ein schon reichlich schlaffer und krummer alter Mann, der entschlossen war, für immer auf seine Zauberkräfte zu verzichten. Sein Gesicht strahlte vor Erleichterung und innerer Befreiung.
Enchanted Island ist eine Kompilation aus dem Sturm und dem Sommernachtstraum, mit der Einschränkung, dass eine Oper natürlich mit sehr viel weniger Text auskommen muss als ein Theaterstück. Aber ich habe mich unendlich gefreut, dass man auf diese wunderbare Szene nicht verzichtet hat. In Enchanted Island findet sie ganz zum Schluss statt. Prospero, bis dahin gesungen von David Daniels, entsagt seiner Zauberkraft und zerbricht den Stab übers Knie. Der Text dazu dürfte sinngemäß dieser Stelle aus dem Sturm entsprechen (Übersetzung von Schlegel):
Das Fest ist jetzt zu Ende; unsre Spieler,
Wie ich Euch sagte, waren Geister und
Sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft.
Wie dieses Scheines lockrer Bau, so werden
Die wolkenhohen Türme, die Paläste,
Die hehren Tempel, selbst der große Ball,
Ja, was daran nur teil hat, untergehn.
(…) Unser kleines Leben
Umfaßt ein Schlaf.
Das Publikum wird mit diesen Worten quasi aus der Oper entlassen; was danach folgt, ist nur noch so eine Art musikalischer Schlusstriumph. Der besondere Effekt an dieser Stelle war, dass diese Schlussworte gesprochen wurden. Nicht gesungen. Und zwar von einem Sänger, bei dem die Sprechstimme sich von der Singstimme so stark unterscheidet wie nur möglich (Daniels ist Countertenor und singt im Höhenbereich des Damen-Mezzo, seine Sprechstimme würde ich irgendwo im Bariton unterbringen). Die Fallhöhe an diesem Punkt war gigantisch. Hier ist der Zauber aus. Wir dürfen nach Hause gehen.
Ein riesiges Dankeschön an alle, die dieses einmalige Ereignis möglich gemacht haben. Ich hab's zwar nur im Kino gesehen, aber trotzdem hat es mich in den Sessel gebügelt wie selten. Barockoper ist Glückspille.
Eine sehr schöne Rezension, der ich vollkommen zustimme, gibt es übrigens noch hier im Opernnetz.
(...) Ihr alle schier
habet nur geschlummert hier
und geschaut in Nachtgesichten
eures eignes Hirnes Dichten.
(Epilog aus dem Sommernachtstraum, gesprochen von Puck)
Zu Händels Oper Rinaldo in der Inszenierung von David Alden, Premiere war im Jahr 2000 bei den Münchner Opernfestspielen, habe ich mal in einer Kritik den Satz gelesen: »Alden verglich in seiner Inszenierung das überschäumende barocke Lebensgefühl mit der heutigen Spaßgesellschaft und versetzte die Handlung teilweise auf einen Rummelplatz.«
Ich kann das bestätigen, ich habe die Übertragung damals gesehen, sogar auf Tape mitgeschnitten, und es ist mir sogar gelungen, dieses Tape zu digitalisieren und auf DVD zu brennen. Ich sehe und höre es immer wieder gerne, obwohl nicht weniger als vier Countertenöre um die Wette säuseln. Einer besser als der andere.
Barockoper = Spaßgesellschaft. Eine ähnliche Vision haben wohl auch die Macher von Enchanted Island gehabt, jedenfalls wäre für die optischen Effekte in der Inszenierung aus der Met kein Superlativ zu hoch gegriffen. Voll fett, krass, überbordend, immer und immer noch einen drauf. In einem Pauseninterview sagte der Regisseur sinngemäß: »Wir haben uns gedacht, wenn wir schon Barockoper machen, dann auch gleich richtig.«
Ich glaube, die großartige Joyce DiDonato hatte in jeder einzelnen Szene, in der sie auftrat (und das waren nicht wenige), ein neues Kostüm und ein neues Haarstyling. Selbst der Luftgeist Ariel, gesungen von Danielle de Niese (agil-irrwischartig), bekam extra für die letzte Arie ein neues Kostüm verpasst, das direkt aus Farinelli stammen könnte.
(Bild gelöscht)
David Daniels (zum Niederknien wie immer) hatte, abgesehen von seinen Arbeitsklamotten (Lederschürze und Ärmelschoner) mindestens zwei aufwendige Brokatfummel. Lediglich Neptun (Placido Domingo, tragikomisch), Miranda (toll) und Caliban (Pisaroni, wuchtig) mussten mit nur einem Styling auskommen. Dafür hatte Caliban aber eine äußerst aufwendige Maske, einen künstlichen Bauch und Orkfüße. Mit ein paar kleinen Änderungen hätte er als Uruk-hai im Herrn der Ringe durchgehen können.
(Bild gelöscht)
Überhaupt gab es die eine oder andere Anleihe bei Tolkien; Prospero hatte gleich zu Beginn eine Art Palantir in der Hand, und sein Zauberstab sah sehr nach Gandalf aus.
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Womit ich endlich beim Thema bin: Der Zauberstab.
Eine der effektvollsten Theaterszenen, die ich kenne, ist diejenige aus Shakespeares Sturm, als Prospero seinen Zauberstab zerbricht. Ich habe sie leider nur zweimal im Fernsehen gesehen – einmal gespielt von Helen Mirren in der Neuverfilmung des Sturm und einmal vor vielen Jahren gespielt von John Gielgud in Greenaways Prosperos Bücher. Speziell Gielguds Darstellung werde ich nie vergessen. Nach all dem ungeheuren Aufwand, den er getrieben hatte, um sich seinen unfreiwilligen Inselaufenthalt zu verschönern, erschien er in dieser Szene nackt und bloß in ärmellosem Unterhemd. Ein schon reichlich schlaffer und krummer alter Mann, der entschlossen war, für immer auf seine Zauberkräfte zu verzichten. Sein Gesicht strahlte vor Erleichterung und innerer Befreiung.
Enchanted Island ist eine Kompilation aus dem Sturm und dem Sommernachtstraum, mit der Einschränkung, dass eine Oper natürlich mit sehr viel weniger Text auskommen muss als ein Theaterstück. Aber ich habe mich unendlich gefreut, dass man auf diese wunderbare Szene nicht verzichtet hat. In Enchanted Island findet sie ganz zum Schluss statt. Prospero, bis dahin gesungen von David Daniels, entsagt seiner Zauberkraft und zerbricht den Stab übers Knie. Der Text dazu dürfte sinngemäß dieser Stelle aus dem Sturm entsprechen (Übersetzung von Schlegel):
Das Fest ist jetzt zu Ende; unsre Spieler,
Wie ich Euch sagte, waren Geister und
Sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft.
Wie dieses Scheines lockrer Bau, so werden
Die wolkenhohen Türme, die Paläste,
Die hehren Tempel, selbst der große Ball,
Ja, was daran nur teil hat, untergehn.
(…) Unser kleines Leben
Umfaßt ein Schlaf.
Das Publikum wird mit diesen Worten quasi aus der Oper entlassen; was danach folgt, ist nur noch so eine Art musikalischer Schlusstriumph. Der besondere Effekt an dieser Stelle war, dass diese Schlussworte gesprochen wurden. Nicht gesungen. Und zwar von einem Sänger, bei dem die Sprechstimme sich von der Singstimme so stark unterscheidet wie nur möglich (Daniels ist Countertenor und singt im Höhenbereich des Damen-Mezzo, seine Sprechstimme würde ich irgendwo im Bariton unterbringen). Die Fallhöhe an diesem Punkt war gigantisch. Hier ist der Zauber aus. Wir dürfen nach Hause gehen.
Ein riesiges Dankeschön an alle, die dieses einmalige Ereignis möglich gemacht haben. Ich hab's zwar nur im Kino gesehen, aber trotzdem hat es mich in den Sessel gebügelt wie selten. Barockoper ist Glückspille.
Eine sehr schöne Rezension, der ich vollkommen zustimme, gibt es übrigens noch hier im Opernnetz.
(...) Ihr alle schier
habet nur geschlummert hier
und geschaut in Nachtgesichten
eures eignes Hirnes Dichten.
(Epilog aus dem Sommernachtstraum, gesprochen von Puck)
schmollfisch - 23. Jan, 23:53