Geschlossen.

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...

Ihr habt mir
das wichtigste
verschwiegen.

das bedrohliche rauschen einer springflut im frühling. nachts.
ein hauch algengrün auf einem balkongeländer, im morgennebel gesehen. ein verlassenes spinnennetz, von tauperlen bedeckt.
der schlag einer nachtigall am flussufer.
die von vielen händen blank gescheuerte haltekette am beginn der hängebrücke. der mann, der mir auf halber strecke entgegen kommt, unsicheren schritts auf schwankenden brettern, das gesicht verbrannt, die augen grell.
die rundgeschliffenen kiesel auf dem grund des flusses.
in der ferne ein zaun.

worte.

Pubertät die zweite

In der langen Kette der Katerbesuche heute ein bizarrer Tag.
Kater schwarz, stammt von nebenan, besucht uns seit letzten Frühsommer (damals gerade mal eine Handvoll Kater) kam heute nicht in Begleitung seines großen roten Freundes, sondern allein. Streunte zur offenen Terrassentür herein. Schnurrte lauthals. Wollte Leckerli. Ich nahm ihn hoch und ließ ihn vor Schreck beinahe wieder fallen, weil er am Bauch einen sieben Zentimeter langen kahlen Fleck hatte. Die Haut darunter seltsam bläulich. Eine lange rote Narbe.
Was hat ihm gefehlt? Keine Ahnung. Mir schien er immer kerngesund. Ich habe mir vorgenommen, die Nachbarn zu fragen. Bis dahin setze ich insgeheim vor dem Wort „Kater“ einen Vorbehalt. Mir wurde er als Kater vorgestellt und hat einen Männernamen. Aber dass er hinten herum irgendwie anders aussah als Kater rot, das habe ich mir schon länger gedacht. Vielleicht sind die Nachbarn auf den gleichen Gedanken gekommen.

Irgendwann nach zehn Uhr abends, als ich mit meiner Tochter fernsah, kam Kater rot an die Tür. Ich machte auf. Er kam schnurrend hereinstolziert, wollte Leckerli. Kater rot ist etwas freundlicher (und meiner Meinung nach intelligenter) als Kater schwarz. Ich biete ihm gern eine Kleinigkeit an, daher weiß er, wo die Büchse steht. Als er vor mir her in die Küche lief, fiel mir das Herz in die Hosen. Auch Kater rot ist kein Kater mehr. (Wenn Kater schwarz denn je einer gewesen war.)

Das Erstaunliche ist, dass beide Kater aus verschiedenen Häusern stammen. Schwarz gehört nach nebenan, Rot irgendwohin um zwei Ecken, ich weiß es nicht genau.

Mir war wehmütig zumute. Noch wehmütiger stimmte mich das Verhalten, das laute Schnurren, das Betteln, das Gleich-wieder-weg-Wollen, der unverhohlene Katzenegoismus: Bis jetzt hat sich nichts geändert. Warum sollte es auch.

Hotel Schneegipfel

(hier gepostet für Neda. Danke fürs Ausgraben!)



Sie kamen bei hereinbrechender Dunkelheit an und suchten in dem fremden Ort nach ihrer Unterkunft.

»Hotel Schneegipfel heißt es«, erklärte Ute den beiden Kindern zum x-ten Mal. »Bitte helft mir beim Suchen. Ich weiß nicht, wo es liegt.«

»Hier ist aber alles voller Hotels, Mama«, bemerkte die achtjährige Ilka.

Der ganze Ort bestand aus Gasthöfen. Die meisten waren große weiße Gebäude im ländlichen Stil, mit holzverschalten Giebeln und breiten, geschnitzten Balkonen.
Vogelfutterhäuschen und Schneemänner schmückten die Vorgärten. Auf allen Dächern lag dicker Schnee. Ute fuhr langsam, und sie und die Kinder versuchten, im trüben Straßenlampenschein die Hausnamen zu entziffern, die entweder auf große Holzschilder oder auf den Putz gemalt waren. »Hotel Jachmann«, las Ilka langsam und stockend, »Haus Reserl, Zum Kahlwirt – nein, zum Karlwirt.« Ihre kleine Schwester Reni stieß sie in die Seite, und beide begannen haltlos zu kichern.

Haltet doch die Klappe! Ute widerstand dem Impuls, die Kinder anzuschnauzen. Das Lachen würde ihnen ohnehin bald vergehen.

»Jetzt ist Schluss. Achtung, ich fahre weiter. Achtung, mitlesen!«

An beiden Straßenseiten war der Schnee zu kniehohen Wällen zusammengeschoben. In manchen Fenstern funkelten noch Lichterbögen, obwohl es schon lange nach Dreikönig war, und an den Türen hingen Tannenkränze mit roten Schleifen.

»Ich will morgen Schlitten fahren!«, verkündete die kleine Reni, in einem kühnen Gedankensprung vom Weihnachtsschmuck zu ihrem Weihnachtsgeschenk. »Mama, können wir morgen Schlitten fahren?«

Ute antwortete nicht, sondern lehnte sich weit nach vorne und schaute an den Hausfassaden hinauf. Sie hatte das Ende der Straße erreicht, wendete und fuhr zurück, um einen Abzweig in die zweite Hauptstraße des Ortes zu nehmen.

Morgen muss ich mit euch Schlitten fahren. Doch wie sagt man zwei kleinen Kindern, dass ihre Familie vor der Auflösung steht? Papa ist nicht mitgekommen. Nicht, weil er arbeiten musste, sondern, weil er keine Lust hatte. Hört ihr? Er hatte keine Lust. Hatte Besseres vor. Versteht ihr das? Ist das bei euch angekommen?? »Schneegipfel, schaut bitte«, wiederholte sie.

»Hotel Kreischanfall«, sagte Ilka und wies auf ein Haus im Rohbau. Reni prustete los, und ihr Kichern steigerte sich zu hilflosem Gackern, als Ilka hinzufügte: »Bei uns liegen Sie richtig!«

Das war ein beliebter Scherz, den sie von ihrem Vater übernommen hatten. Ute trat heftig auf die Bremse; das Auto rutschte ein Stück weiter und prallte gegen einen Schneewall. Sie musste den Rückwärtsgang einlegen und ein paar Mal Gas geben.

»Mama, du sollst nicht so wild bremsen, wenn es glatt ist!«, belehrte Ilka.

Halt die Klappe. Halt doch endlich die Klappe. Sie bog in die Abzweigung. »Haus Geranie«, »Rosenhalde«, »Schönblick«. Die meisten Hotels hatten kleine Abstellplätze für die Autos der Gäste, und rundherum lag der Schnee in hüfthohen Haufen. Schneeschieber und Säcke mit Streusalz lehnten an den Hauswänden. Hier und da stand ein vergessener Schlitten am Straßenrand.

Die Straße führte wieder aus dem Ort hinaus. Am Ende stand ein Gebäude mit Klappläden, das mit einer Unmenge Eiszapfen geschmückt war. Zu Hunderten hingen filigrane Tropfsteine von den Fenstersimsen und klebten in dicken Trauben am Balkon. Es war eine Welt aus Weiß, mit feinem Schnee bestäubt wie mit Puderzucker.

Die kleine Reni hüpfte aufgeregt auf dem Rücksitz. »Mama, Mama! Das muss es sein! Das ist es ganz bestimmt! Ein Märchenschloss!«

»Ich sehe nirgends Licht.« Ute bremste und schaute an dem Haus hinauf. Aber es war das letzte Haus an der Straße. Wenn es nicht das richtige war, musste sie wenden und wieder in den Ort hinein fahren. Und von vorne beginnen mit der Suche. Sie lehnte die Stirn gegen das Lenkrad und seufzte.

»Was ist denn, Mama? Ist das nun unser Hotel, Mama? Mama!«

Ute riss die Tür auf und stieg aus.

»Wartet mal hier«, wies sie die Kinder an und schloss die Tür wieder, um den Wagen nicht auskühlen zu lassen.

Das weiß bepuderte Haus lag dunkel. Neben dem doppelflügeligen Eingangstor hing das übliche Namensschild. Es handelte sich also um ein Hotel oder einen Gasthof. Doch auch das Schild war mit einer Menge nadelscharfer Eiszapfen übersät und unleserlich.

Ute zögerte, den Gehsteig zu verlassen, aber endlich stieg sie doch in den knöchelhohen Schnee und watete an dem niedrigen Zaun entlang um das Haus herum. Auch an der Seite des Gebäudes war alles voller Eiszapfen; sie hingen reihenweise von den Fensterbänken und an der Dachtraufe wie ein erstarrter Wasserfall. »Wenn nur keiner runterfällt«, dachte sich Ute und schauderte zusammen, als sie sich die kalte, scharfe Spitze in ihrem Nacken vorstellte.

Dann sah sie die Rückseite. Das halbe Obergeschoss fehlte. Der Dachstuhl war zertrümmert, und schwarzes Gebälk ragte wirr in den Nachthimmel. Die Fassade des Untergeschosses war rußgeschwärzt.

Das Haus hatte gebrannt. Und die Eiszapfenpracht, dachte Ute, während sie die verkohlten Wände betrachtete, kam zweifellos vom Löschwasser der Feuerwehr.

»Mama!«, rief eine Kinderstimme. »Mama!«

Rasch machte Ute kehrt und lief an der Seite des Hauses zurück. Ilka war ausgestiegen und winkte ihr heftig zu. »Was ist jetzt, Mama? Wohnen wir in dem Märchenschloss, Mama? Das ist doch bestimmt unser Hotel, nicht wahr, Mama?«

Ute stapfte durch den hohen Schnee zur Straße hin. »Nein«, sagte sie, während sie den Schnee von ihren Stiefeln abklopfte und sich wieder auf den Fahrersitz setzte. »Nein, dort dürfen wir nicht wohnen. Es ist ein Haus für Feen. Nur für Feen und Elfen. Nicht für Menschen wie uns.«

Neben der Kappe

Ein Mann findet einen Gegenstand. (Später denkt er manchmal, dass wahrscheinlich eher der Gegenstand ihn gefunden hat.) Der Gegenstand hat die Kraft, seinen Träger unsichtbar zu machen. Er zeigt außerdem ein gewisses Eigenleben und verändert seinen Besitzer psychisch: Es fällt dem Mann immer schwerer, das Ding wegzulegen, andererseits wird er irgendwie immer weniger, wenn er es trägt. Manchmal möchte er das Ding loswerden, aber wenn er es verlegt hat, findet er keine Ruhe mehr, bis er es wiedergefunden hat, und am Ende wird ihm klar, dass es vernichten muss.

Klingelt es? Und jetzt kommt das große Ätsch: Nein, es geht nicht um einen Ring, sondern um einen Hut; der Mann heißt nicht Frodo, sondern Simon, und der Hut gehorcht auch nicht irgendeiner strunzbösen Entität irgendwo im Osten, wo die Schatten drohn, sondern es bleibt ganz ungeklärt, woher er stammt (wenn es auch ein paar interessante Theorien dazu gibt). Und es geht auch nicht um ein ausuferndes Epos von mehreren tausend Seiten Länge, sondern um ein kleines Buch, das man an zwei Abenden auslesen kann. Das Buch heißt „Die Tarnkappe“ von Markus Orths und ist meine erste große Lesefreude dieses Jahres. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich den Autor irgendwoher kenne, vielleicht aus einem Schreibforum – egal, er beherrscht sein Handwerk und sprudelt nur so über vor Schreibfreude, wie man jedem Absatz seines Buchs anmerkt. Es ist keine amüsante Lektüre; das Buch hat sehr viel mehr mit unserer Wirklichkeit zu tun, als der erste Absatz vielleicht vermuten lässt, und der Leser bleibt mit einer Menge Denkanstöße zurück. Aber vor allem hat hier jemand geschrieben, weil er schreiben muss, nicht weil der Verlag meint, es sei mal wieder Zeit für einen neuen Dingsda und die Leser drauf warten. Auch das merkt man dem Buch an. Hier waltet echte Schreibwut.

Die Verneigung vor Tolkien gefällt mir – einmal ist sogar von der „Kappe der Macht“ die Rede (gemeint ist die titelgebende Tarnkappe), und so sehr ich Tolkien schätze, noch mehr mag ich Phantastika im wahren Leben. Simon ist kein mittelalterlicher König, Truchsess, Zwerg oder Ork. Er ist so gewöhnlich, dass es beinahe schon weh tut.

(Eben sehe ich, dass im ersten Absatz vielleicht der Eindruck entsteht, ich hätte alles verraten. Nein. Das Buch endet nicht damit, dass dem Mann klar wird, dass er das Ding vernichten muss. Es endet ganz anders. Aber mehr sag ich nicht.)

Wortgesang reloaded - die Fallgrube zwischen zwei Worten

Eine hinreißende Wortgeste entschlüpft A.J.Cronins Heldin Lucy Moore. Daran ist Cronin selbst mit einiger Sicherheit völlig unschuldig, wahrscheinlich auch sein Übersetzer Richard Hoffmann: Lucy erfindet ihr Bonmot ganz alleine. Lucy ist ein taffes Frauchen und hätte, lebte sie in der Gegenwart, bestimmt Karriere gemacht. Leider ist sie um 1880 geboren, was ihr nicht viel Spielraum lässt. Genau genommen gar keinen außer der Option, aus ihrem Gatten einen Mann zu machen. Leider ist der aber ein Schlaffi und trotzt ihren Bemühungen mit einem stillen, sympathischen Galgenhumor.
Ein scharfes Auge hat Lucy auf die Kusine Anna, die sie selbst für eine Woche eingeladen hat (wofür sie sich später ohrfeigen möchte). Anna ist trocken-direkt, auf sinnliche, etwas träge Art attraktiv, intelligent und selbstbestimmt. Obendrein hat sie, wie Lucy hintenherum erfährt, vor Jahren ein uneheliches Kind gehabt (es ist im Babyalter gestorben) und den Vater dazu nie benannt. Das schlägt dem Fass den Boden aus. Lucy traut sich kaum noch, ihren Mann mit diesem Vamp allein zu lassen. Ihren hausfraulichen Ehrgeiz gibt sie indessen keine Minute auf. Anna bekommt jeden Tag ihr Frühstückstablett und ein vorher geplantes Picknick wird mit größter Sorgfalt vorbereitet: Lucy macht nach meiner Rechnung für drei Erwachsene und einen achtjährigen Jungen mindestens zwölf belegte Brote, eine Tüte Krapfen, einen Obstkuchen, ein Paket Zwieback und einen Schwung hartgekochte Eier zurecht (das nur nebenbei). Sie selbst will nach dem Picknick Himbeeren pflücken gehen, ihr Sohn seine Angel ausprobieren – wer beaufsichtigt aber ihren Mann und Anna? Die Sorge treibt Lucy ununterbrochen um und gibt ihr, als an Ort und Stelle der Picknickplatz gewählt wird, die Frage an Anna ein:
„Möchtest du fischen oder pflücken?“

Vielleicht muss man, um diese Frage so zu lesen wie ich, vorher zehn engbedruckte Seiten lang Zeuge von Lucys Sorgen und Ängsten geworden sein. Ich habe jedenfalls weder „fischen“ noch „pflücken“ gelesen, sondern ein anderes Wort, das genau zwischen fischen und pflücken liegt .... Und so kommt Lucys Mann auch, getrieben durch Lucys ununterbrochenen Argwohn, fünf Seiten später zu Fall.

Genauso wie ich, ihe Leserin.

Pubertät

Der kleine Bruder

Abends gegen acht öffne ich ein letztes Mal die Terrassentür, um das Wohnzimmer durchzulüften, und setze mich solange mit meinem Buch und dem letzten Kaffee in die Küche ...

Da stehen sie plötzlich neben mir, einer links, einer rechts.
Der eine schwarz, der andere rot. Der schwarze gehört dem Nachbarn, das weiß ich. Der rote ist von weiter weg, aber es ist ein Kater, unkastriert (soweit ich das erkennen kann), sieht gepflegt aus.

Sie haben Hunger. Sie sitzen vor dem Kühlschrank, obwohl ich nichts aus dem Kühlschrank gebe; das wissen beide. Ich habe nur Trockenfutter, Leckerli. Zwei Handvoll schütte ich auf den Boden. Sie fressen heißhungrig und drehen danach eine Runde durch das ganze große Esszimmer/Wohnzimmer/Wintergarten, alles ist offen, überall kriechen sie hin und begutachten alles. Ich bin nicht sicher, ob sie stubenrein sind, deshalb behalte ich sie genau im Auge.
Das ist anstrengend, aber schnell vorbei. Binnen fünf Minuten sind sie wieder draußen. Habe ich die Terrassentür inzwischen zugemacht, weil mir zu kalt wurde, stehen sie davor und miauen.

Es sind junge Männer. Sie wollen raus.
Sobald ich die Tür aufmache, rennen sie davon auf neue Abenteuer. Draußen ist Schneesturm, aber das ist ihnen egal.

Ich schaue ihnen nach (mit leisem Neid), dann schließe ich die Tür endgültig; mittlerweile ist es viertel nach acht - Tatortzeit - und ich stelle den Fernseher an und nehme mein Strickzeug.

Cora auf Reisen

Cora ist online. Hier klicken!

Schöne Grüße vom Schmollfisch!

Blubbern als Kunst!

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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