... besser mit sich selbst ...

Mein Bruder F. mag keine Handys leiden.
Telefonieren ist keine echte Kommunikation. Beweis: Wenn ein Telefonat länger als fünf Minuten dauert, ertappt er sich regelmäßig dabei, dass er Blümchen auf seine Schreibunterlage malt. Redet er mit einem echten Gesprächspartner, passiert ihm das nicht.
"Siehst du, wir sitzen jetzt zum Beispiel hier zusammen, trinken Kaffee und reden. Die Zeit nehmen wir uns, und in dieser Zeit tun wir nichts anderes. Das nenne ich ein echtes Gespräch."
Ich überlege, ob sich dahinter vielleicht eine Spitze gegen mich verbirgt, weil ich, als er das letzte Mal zu Besuch bei mir war, während unserer Unterhaltung gestrickt habe.
Gott sei Dank hat jetzt seine Lebensgefährtin eine Frage: "Was ist denn so schlimm dran, wenn man während eines Gesprächs nebenher Blümchen malt?"
"Weil man dann nicht ganz bei der Sache ist! Ich merke zum Beispiel beim Telefonieren immer sofort, wenn mein Gesprächspartner anfängt, sich mit irgendwas anderem zu beschäftigen!"
Als ich das letzte Mal mit F. telefonierte, habe ich währenddessen Wäsche sortiert und in die Maschine geräumt, die Bratwurst in der Pfanne rumgedreht sowie einen Brief an meine Lektorin frankiert und zugeklebt. Er muss es gemerkt haben. Ob ich jetzt sehr rot geworden bin? Verlegen zupfe ich an einer losen Nagelhaut.
Zum Glück ist die Lebensgefährtin noch nicht fertig. "Willst du damit sagen, wer während des Gesprächs in der Suppe rührt, sündigt gegen den Gesprächspartner? Ich bitte dich!"
"In der Suppe rühren geht noch", präzisiert F., "aber wenn es daran geht, die Suppe zu salzen ..."
Ich darf F. nicht mehr um die Mittagszeit anrufen, sonst kocht er am Ende durch meine Schuld salzlose Suppe.
Und der Brief an meine Lektorin war womöglich auch kein richtiger Brief, weil ich mit F. telefonierte, während ich ihn frankierte und zuklebte. Mein Verlagsvertrag wird scheitern, weil er zur Unzeit anrief. Und ich obendrein nebenher noch Bratwürste drehte.
Ich erröte womöglich noch mehr und zupfe an der Nagelhaut.
"Unfähigkeit zum Multitasking", definiert die Dame seiner Wahl. "Das muss aber eine Spezialität des männlichen Gehirns sein! Überleg doch mal, wenn Mütter keine Gespräche führen könnten, während sie die Suppe salzen, dann käme überhaupt keine Suppe zustande! Man merkt wirklich, dass du keine Kinder hast!"
Ich erinnere mich, wie ich das letzte Mal beim Erlenhofer Bauern Erdbeeren pflückte. Der Erlenhofer Bauer hat ein großes Erdbeerfeld, das Kilo selbstgepflückte Erdbeeren kostet nur zwei Euro. Ich war schon ganz früh da, außer mir war nur eine Frau auf dem Feld. Sie pflückte und redete unaufhörlich. Aber nicht mit mir, dazu war sie viel zu weit entfernt. Ich dachte schon, sie führe Selbstgespräche. Als wir uns bis auf zehn Meter aufeinander zugepflückt hatten, sah ich, dass sie ein Headset aufhatte und telefonierte. Oder vielmehr handy-ierte. Vielleicht mit ihren Kindern zu Hause. Sicher werden die Kinder verwahrlosen. In zehn Jahren werden sie, verdreckt und mit Gesichtspiercings und Tattoos übersät, im Rinnstein liegen. Und uns Steuerzahlern auf der Tasche. In den Reality-Shows der Privatsender werden sie auf der Couchkante kleben und in mangelhaftem Deutsch berichten, dass in ihrer sensiblen Phase Mudder Erdbeeren pflücken ging und ihre Erziehungspflichten per Handy wahrnahm, statt gebührende Geborgenheit zu geben.
"... schmeckt nach Alkohol", höre ich. "Merkst du's?"
Ich schrecke hoch. "Wie bitte?"
"Siehste!" F. sieht mich anklagend an. "Lass doch endlich deine Nägel in Ruh, dann kriegst du auch mit, dass der Apfelkuchen nach Cidre schmeckt!"

Blubbern als Kunst!

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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