Die Füchsin

Sie steht in ihrem Ankleidezimmer, eine große, schöne Frau um die Fünfzig, die zu einem Fest eingeladen ist. Sie trifft ihre Vorbereitungen. Die Haare hat sie im Nacken zusammengesteckt, ein Band aus weißen Perlen umschließt den Haarknoten. Sorgfältig zieht sie die Träger ihres Abendkleides auf den Schultern zurecht. Sie setzt sich an den Schminktisch und malt ihr Gesicht; sie legt Lippenstift auf, pudert die Wangen rötlich und die Augenlider silbern. Mit sanfter Hand streichelt sie die Falten auf ihrer Stirn weg und lächelt ihrem Spiegelbild zu.
Dann nimmt sie von der Stuhllehne den Fuchs. Eigentlich ist es eine Füchsin, aber das weiß die Frau nicht. Leise summend legt sie sich den Pelz um die Schultern und besieht sich im Spiegel. Stolz dreht sie den Kopf hin und her.
Die Frau schreitet durch den festlichen Abend, in die Füchsin gehüllt. Sie redet und lacht, trinkt Champagner und fühlt bewundernde Blicke auf sich ruhen. Die Füchsin liegt still und duldsam auf den nackten Schultern.
Lange nach Mitternacht kehrt die Frau heim. Summend geht sie durch ihr stilles Haus und öffnet die Hintertür. Der Wald unweit des Hauses atmet ihr Kälte entgegen. Die Frau nimmt die Füchsin von ihren Schultern und entlässt sie in die Freiheit.
Im Morgengrauen schleicht die Füchsin über taufeuchte Wiesen heimwärts, steif und matt. Sie trägt das Gesicht der Frau, sorgfältig über ihr eigenes gezogen. Durch die leeren Augenhöhlen der Frau sucht sie ihren Weg in den Wald.
Viel später rollt die Sonne endlich über den Himmel und saugt die letzten Frühnebel aus den Wiesen. Die Luft ist klar. Im Wipfel eines Baums hängt das leere Gesicht der Frau, sich selbst überlassen. Unter der Erde schläft die Füchsin, tief verkrochen in ihrem Fell.

Blubbern als Kunst!

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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