Bertha
Der Garten ist grau und trostlos, die Wiese von kahlen Stellen durchsetzt, in den Erdlöchern sammeln sich schlammige Pfützen. Das Kaninchen ist bei Wind und Wetter draußen und rupft die kümmerlichen Grashalme ab, scharrt unter dem Zaun oder liegt mit ausgestreckten Hinterbeinen da. Besonders dann, wenn die Sonne sich einen halben Tag lang durch das Grau des nassen Märzhimmels kämpft.
Bertha beobachtet das Kaninchen von einem sicheren Standpunkt aus, hinter der Gardine des Wohnzimmerfensters. Mit seinem weiß und schwarz gefleckten Fell ist das Tier auf der wintermüden Wiese leicht auszumachen. Tagsüber läuft es frei umher; sich unter dem Zaun hindurchzugraben, ist es zu groß. Abends kommt es in einen Hasenstall an der Hauswand. Bertha hat meistens keine Probleme, das Kaninchen einzufangen; es ist handzahm, außerdem nicht mehr jung und schon ein wenig schwerfällig. Seit sein Lebensgefährte, ein schwarzer Kaninchenbock, im Winter starb, ist es noch viel langsamer geworden.
Tagsüber geht Bertha ihrer Arbeit nach: Staub wischen, Teppiche absaugen, das alte Silberbesteck putzen, die Fotos ihrer Enkelkinder anschauen und neu ordnen, die Klaviertastatur abreiben und ein paar Töne anschlagen. Sie lässt sich Zeit dabei. Zwischendurch zieht es sie immer wieder zum Fenster. Von ihrem sicheren Standort hinter der Gardine aus sieht sie dem Kaninchen zu, wie es lange, lange Zeit ausgestreckt auf dem Rasen verharrt. Sie hat versucht, einen neuen Freund für das einsame Tier zu finden. Aber das ist nicht so einfach. Im Tierheim gibt man ihr kein Kaninchen, weil der Nachtstall angeblich zu klein ist. Dass tagsüber der ganze Garten als Auslauf zur Verfügung steht, zählt nicht als Ausgleich. Kaninchenzüchter verlangen hohe Preise für ein junges Männchen und da Bertha nicht züchten will, müsste sie überdies eine Kastration bezahlen. Und was hat es für einen Sinn, der alten Kaninchendame noch einen Partner zu besorgen? Sie wird bald sterben und dann steht Bertha wieder vor dem gleichen Problem.
Lange Zeit steht sie hinter der Gardine und schaut dem trauernden Tier zu. Endlich erträgt sie es nicht mehr. Sie wird das Kaninchen weggeben.
Drei-, viermal kommen Leute, die ihren Aushang am Schwarzen Brett des Supermarkts gesehen haben: "Stallkaninchen zu verschenken". Das Kaninchen wird gemustert, nach Fleisch und Fell abgeschätzt und für uninteressant befunden. Als Kuscheltier für ein Kind ist es zu groß. Es ist zu nichts nütze, wie es da auf dem Rasen liegt, im vor Nässe triefenden Gras. Mittlerweile ist es April und der Himmel hängt voller Frühjahrsstürme. Das Kaninchen wird immer langsamer und verkriecht sich halbe Tage in der Hecke. Oft kommt es erst mittags auf die Wiese hinaus und rupft Gras ab, mit gleichmütigem Auf und Ab der Nase.
Eines Morgens blüht der Kirschbaum. An seinem Fuß sind rote Tulpen aufgesprungen. Bertha zieht die Gartenhandschuhe an und geht hinaus, kratzt mühsam das letzte welke Laub von den Beeten und überlegt, was sie dieses Jahr pflanzen wird. Das Kaninchen liegt am Zaun und sieht ihr zu, die Hinterbeine lang von sich gestreckt, die gefleckten Ohren angelegt. Sein Blick ist stumpf.
Am Nachmittag fährt Bertha zum Züchter und besorgt einen jungen Kaninchenbock, weiß mit schwarzen Flecken. Im Schutz der Hecke, die grüne Knospen ausgetrieben hat, lässt sie ihn frei. Die beiden Tiere mustern einander aus sicherer Entfernung, während Bertha in dicker Jacke und Gummihandschuhen einen Sack Pferdemist in die Erde einarbeitet. Manchmal dreht sie sich um und beobachtet die Kaninchen, die über die Breite der Wiese hinweg Blicke tauschen.
Kaninchen sprechen nicht.
Bertha beobachtet das Kaninchen von einem sicheren Standpunkt aus, hinter der Gardine des Wohnzimmerfensters. Mit seinem weiß und schwarz gefleckten Fell ist das Tier auf der wintermüden Wiese leicht auszumachen. Tagsüber läuft es frei umher; sich unter dem Zaun hindurchzugraben, ist es zu groß. Abends kommt es in einen Hasenstall an der Hauswand. Bertha hat meistens keine Probleme, das Kaninchen einzufangen; es ist handzahm, außerdem nicht mehr jung und schon ein wenig schwerfällig. Seit sein Lebensgefährte, ein schwarzer Kaninchenbock, im Winter starb, ist es noch viel langsamer geworden.
Tagsüber geht Bertha ihrer Arbeit nach: Staub wischen, Teppiche absaugen, das alte Silberbesteck putzen, die Fotos ihrer Enkelkinder anschauen und neu ordnen, die Klaviertastatur abreiben und ein paar Töne anschlagen. Sie lässt sich Zeit dabei. Zwischendurch zieht es sie immer wieder zum Fenster. Von ihrem sicheren Standort hinter der Gardine aus sieht sie dem Kaninchen zu, wie es lange, lange Zeit ausgestreckt auf dem Rasen verharrt. Sie hat versucht, einen neuen Freund für das einsame Tier zu finden. Aber das ist nicht so einfach. Im Tierheim gibt man ihr kein Kaninchen, weil der Nachtstall angeblich zu klein ist. Dass tagsüber der ganze Garten als Auslauf zur Verfügung steht, zählt nicht als Ausgleich. Kaninchenzüchter verlangen hohe Preise für ein junges Männchen und da Bertha nicht züchten will, müsste sie überdies eine Kastration bezahlen. Und was hat es für einen Sinn, der alten Kaninchendame noch einen Partner zu besorgen? Sie wird bald sterben und dann steht Bertha wieder vor dem gleichen Problem.
Lange Zeit steht sie hinter der Gardine und schaut dem trauernden Tier zu. Endlich erträgt sie es nicht mehr. Sie wird das Kaninchen weggeben.
Drei-, viermal kommen Leute, die ihren Aushang am Schwarzen Brett des Supermarkts gesehen haben: "Stallkaninchen zu verschenken". Das Kaninchen wird gemustert, nach Fleisch und Fell abgeschätzt und für uninteressant befunden. Als Kuscheltier für ein Kind ist es zu groß. Es ist zu nichts nütze, wie es da auf dem Rasen liegt, im vor Nässe triefenden Gras. Mittlerweile ist es April und der Himmel hängt voller Frühjahrsstürme. Das Kaninchen wird immer langsamer und verkriecht sich halbe Tage in der Hecke. Oft kommt es erst mittags auf die Wiese hinaus und rupft Gras ab, mit gleichmütigem Auf und Ab der Nase.
Eines Morgens blüht der Kirschbaum. An seinem Fuß sind rote Tulpen aufgesprungen. Bertha zieht die Gartenhandschuhe an und geht hinaus, kratzt mühsam das letzte welke Laub von den Beeten und überlegt, was sie dieses Jahr pflanzen wird. Das Kaninchen liegt am Zaun und sieht ihr zu, die Hinterbeine lang von sich gestreckt, die gefleckten Ohren angelegt. Sein Blick ist stumpf.
Am Nachmittag fährt Bertha zum Züchter und besorgt einen jungen Kaninchenbock, weiß mit schwarzen Flecken. Im Schutz der Hecke, die grüne Knospen ausgetrieben hat, lässt sie ihn frei. Die beiden Tiere mustern einander aus sicherer Entfernung, während Bertha in dicker Jacke und Gummihandschuhen einen Sack Pferdemist in die Erde einarbeitet. Manchmal dreht sie sich um und beobachtet die Kaninchen, die über die Breite der Wiese hinweg Blicke tauschen.
Kaninchen sprechen nicht.
schmollfisch - 20. Mär, 23:27