Ertappt

Linda Wallander, Tochter des Mankell-Kommissars und selbst Polizistin, hat die unangenehme Gewohnheit, mit einem Blick andere Frauen auf Mängel und Fehler abzusuchen: die Kollegin ihres Vaters hat ein Loch im Strumpf und ist zu stark geschminkt, eine Zeugin hat sich offenbar wochenlang die Haare nicht gewaschen, eine andere sieht viel schlaffer und hinfälliger aus, als sie dem Alter nach sein dürfte. Und natürlich sind alle, alle dicker als Linda. Was dächte die wohl über mich? Ich gehe ihr besser aus dem Wege.
Immerhin hat Linda die Entschuldigung, die Erfindung eines männlichen Autors zu sein. Woher soll der auch wissen, was Frauen im Kopf haben, vielleicht stellt er es sich einfach so vor.




Keine Entschuldigung hat Tom Trabandt, fast 50 Jahre alt, Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch in einer hessischen Kleinstadt - er ist die Erfindung eines Mannes und bestätigt irgendwie alles, was Frauen schon immer über Männer gewusst haben. Mein Autorenfreund Holger Bischoff hat ihn zwar gut erfunden, aber kein gutes Haar auf ihm gelassen - abgesehen vielleicht von einem bissigen, aber leider nur allzu oft auch bloß kalauernden Humor. Herr Trabandt (ich mag ihn nicht Tom nennen, denn Frauen, die mit Tom Brüderschaft trinken, haben schlechte Karten) ist das Musterbeispiel eines Kleinstadt-Machos, der gegenüber der schicken neuen Kollegin den schlichten Satz "Ich liege unter Ihnen" (das bezieht sich auf die Anordnung der Fächer im Lehrerzimmer) so ausspricht, dass man das Quietschen des Lattenrosts mitzuhören meint. An seiner eigenen Frau Irene ist ihm so gut wie gar nichts recht; vor allem vermerkt er im stillen unermüdlich ihre Grammatikfehler: "Ich wollte dich eben noch einmal gerufen haben" verkündet sie, als er endlich zum Frühstück erscheint, was er (im Geiste) mit "Göttlich!" kommentiert - und das passiert immer wieder.
Ich habe erst bis Seite 125 gelesen und Herr Trabandt (dieser Drecksack) hat noch nicht merklich Federn lassen müssen, obwohl mir Holger Bischoff das versprochen hat. Aber das Buch ist ja mit über 400 Seiten noch lang genug. Und einstweilen mache ich mir das Vergnügen, dem Trabandt die kleinen Fehler aufzulisten - in einer Art geistiger Excel-Liste, ganz wie er selbst es gegenüber seiner Frau tut. Nachdem er Irene eingehend erklärt hat, dass die klassische Mordmethode "Fön ins Badewasser" in modernen Häusern nicht funktioniert, fragt er (ganz Lehrer) rhetorisch: "Und was lernt uns das?" Autsch! Immerhin findet der Gymnasiallehrer für Deutsch in seinem nächsten Satz zu seinem besseren Selbst zurück: "Das lehrt uns, dass ein Mord geplant sein will!"
Könnte das ein Redaktionsfehler sein oder hat der arglistige Autor hier seinem Tom absichtlich Schmierseife unter die lehrerhafte Rede gepinselt? Ausgeglitscht! Hinreißend sind auch Herrn Trabandts Versuche, Irene seinen dramatischen Roman zu erklären, an dem er gerade schreibt. Zwischen Herd und Anrichte liest er ihr vor: "Die See lag ruhig, die Maschine stampfte gleichmäßig und dicke Rauchwolken dampften aus den vier mächtigen Schornsteinen." Die Rede ist von der Titanic. Wollen wir doch mal sehen, ob Herr Trabandt sich da nicht wieder vergaloppiert, denkt sich der Schmollfisch und schaut ins Wiki. Ja, die Titanic hatte vier Schornsteine. Aber - der vierte war eine Attrappe und hatte gar keine Verbindung zur Maschine! Ha! Da hamse nicht orntlich rescherschiert, Herr Tom Trabandt! Schmollfisch kann nicht umhin, sich im Geiste schadenfroh die Flossen zu reiben. Vielleicht ist das genau die Ecke, in welcher der Autor seinen Leser haben will.

"Adieu Irene", Untertitel: "Umsonst ist der Tod" (im Bild oben steht als Untertitel noch "Eine mörderische Männerfreundschaft"; vermutlich eine ältere Auflage), erschienen im Elf Uhr Verlag Lauterbach - übrigens ein kleiner, feiner Verlag, der sehr engagiert arbeitet, und ein Buch, dem man die Kleinverlagsproduktion absolut nicht ansieht. Ich bin neugierig, wie es weitergeht. Schließlich gibt es noch eine deftige Krimiverwicklung, so viel weiß ich schon - und Herrn Trabandts Handling mit dem Fön, während seine Frau in der Wanne liegt, lässt nichts Gutes ahnen. Ich berichte weiter.

Blubbern als Kunst!

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