Die Schere
Die Schere ist riesengroß. Sie breitet sich über den Köpfen wie eine Drohung, aber immerhin mit den Spitzen nach oben; um ernsthaft den Hals zu bedrohen, müsste sie sich erst umkehren. Die Vierung von Scheren, die weit über Kopf in die Höhe ragen, ist dennoch bedrohlich genug.
Hier ist alles überdimensioniert. Hinter dem Chorraum ein Palmengarten und eine Riesenleinwand mit einem Künstler, der sich dreimal in Ölfarbe selbst abgedrückt hat: Jeans und Turnschuhe hat er an und eine Art Dornenkrone auf dem Kopf (schwer zu erkennen, eher an gewisse Motive aus dem „Herrn der Ringe“ gemahnend, ein steinerner Kopf mit Königskraut, weiß blühende Pflanzen), das Gesicht darunter schmerzverzerrt, vielleicht waren die Jeans oder die Turnschuhe zu eng.
Rechts ein Ausstellungsraum mit Fotos von Leuten, die an Glockenseilen zerren. Was, wie ich gehört habe, auch eine beglückende Erfahrung sein soll.
Links die Kinderspielecke und eine zweiflügelige Tür, die stoßweise Gruppen von Männern in bodenlangen Röcken ausspuckt. Die Röcke passen oft nicht so recht; sie machen den Eindruck, als seien sie vor vielen Jahren angepasst worden, als der Träger noch unschlüssig war, welche Form er annehmen würde. Jetzt sind die meisten der Röcke vorne zu eng und dafür hinten zu weit, als habe der Verlust an Rückgrat das Mehr an Bauch ausgeglichen. Einige passen aber noch haargenau. Das sind die besten Sänger, übrigens. Sie beziehen Position im Chorraum. Breiten ihre Notenblätter aus und singen. Einstweilen üben sie nur, noch ist es nicht der Ernstfall. Sie intonieren mit Disziplin und unbändiger Freude: fa, sol, la, si, do. Ha-ha-haa. Hohohoho. Haaaaa.
Der Chorraum gleicht einem Wohnzimmer. Jeder ausgepolsterte Sitz hat sein eigenes Schirmlämpchen. Unter jedem Schirmlämpchen liegen vier Bücher unterschiedlichen Formats. Die Sänger haben ihre Notenblätter einfach draufgeworfen. Sie üben stehend, obwohl es schöne Sitzkissen gibt, Hunderte Polsterkissen in satten Farben, ein jedes unterschiedlich bestickt:Vogelmotive (Möwen, Papageitaucher, canadian ducks), Blätter (oak leaf, ivy), Fabeltiere (unicorn, lion, Delfine mit phantastisch bezahnten Mäulern), keltische Knotenbänder, vielfach verschlungen wie Därme. Eine Harfe. Knoten. Clover. The Tudor Rose. Clover. Knoten wie Därme.
Neben dem Chorraum geht es durchgetretene Steinstufen hinauf zu ein Schild mit der Aufschrift: No drinking beyond this point. Dahinter nur noch die gemauerte Wand. Ein Hauch von Blinddarm an dieser Stelle.
Die Schere ist riesengroß, eine nackenzerbeißende Vierung; der Blick nach oben zerreißt das Rückgrat, bis sich alles Licht wieder in einem winzigen Zentrum in unerreichbarer Höhe bündelt. Man möchte an Todesstrahlen glauben oder an Lichtbrücken, auf denen Raumschiffe in fremde Dimensionen reiten. Wahrscheinlich auch wieder nichts beyond this point, aber Glaube ist ja umsonst (was fast dasselbe ist wie „kostet ja nichts“, aber eben nur fast).
Hier ist alles überdimensioniert. Hinter dem Chorraum ein Palmengarten und eine Riesenleinwand mit einem Künstler, der sich dreimal in Ölfarbe selbst abgedrückt hat: Jeans und Turnschuhe hat er an und eine Art Dornenkrone auf dem Kopf (schwer zu erkennen, eher an gewisse Motive aus dem „Herrn der Ringe“ gemahnend, ein steinerner Kopf mit Königskraut, weiß blühende Pflanzen), das Gesicht darunter schmerzverzerrt, vielleicht waren die Jeans oder die Turnschuhe zu eng.
Rechts ein Ausstellungsraum mit Fotos von Leuten, die an Glockenseilen zerren. Was, wie ich gehört habe, auch eine beglückende Erfahrung sein soll.
Links die Kinderspielecke und eine zweiflügelige Tür, die stoßweise Gruppen von Männern in bodenlangen Röcken ausspuckt. Die Röcke passen oft nicht so recht; sie machen den Eindruck, als seien sie vor vielen Jahren angepasst worden, als der Träger noch unschlüssig war, welche Form er annehmen würde. Jetzt sind die meisten der Röcke vorne zu eng und dafür hinten zu weit, als habe der Verlust an Rückgrat das Mehr an Bauch ausgeglichen. Einige passen aber noch haargenau. Das sind die besten Sänger, übrigens. Sie beziehen Position im Chorraum. Breiten ihre Notenblätter aus und singen. Einstweilen üben sie nur, noch ist es nicht der Ernstfall. Sie intonieren mit Disziplin und unbändiger Freude: fa, sol, la, si, do. Ha-ha-haa. Hohohoho. Haaaaa.
Der Chorraum gleicht einem Wohnzimmer. Jeder ausgepolsterte Sitz hat sein eigenes Schirmlämpchen. Unter jedem Schirmlämpchen liegen vier Bücher unterschiedlichen Formats. Die Sänger haben ihre Notenblätter einfach draufgeworfen. Sie üben stehend, obwohl es schöne Sitzkissen gibt, Hunderte Polsterkissen in satten Farben, ein jedes unterschiedlich bestickt:Vogelmotive (Möwen, Papageitaucher, canadian ducks), Blätter (oak leaf, ivy), Fabeltiere (unicorn, lion, Delfine mit phantastisch bezahnten Mäulern), keltische Knotenbänder, vielfach verschlungen wie Därme. Eine Harfe. Knoten. Clover. The Tudor Rose. Clover. Knoten wie Därme.
Neben dem Chorraum geht es durchgetretene Steinstufen hinauf zu ein Schild mit der Aufschrift: No drinking beyond this point. Dahinter nur noch die gemauerte Wand. Ein Hauch von Blinddarm an dieser Stelle.
Die Schere ist riesengroß, eine nackenzerbeißende Vierung; der Blick nach oben zerreißt das Rückgrat, bis sich alles Licht wieder in einem winzigen Zentrum in unerreichbarer Höhe bündelt. Man möchte an Todesstrahlen glauben oder an Lichtbrücken, auf denen Raumschiffe in fremde Dimensionen reiten. Wahrscheinlich auch wieder nichts beyond this point, aber Glaube ist ja umsonst (was fast dasselbe ist wie „kostet ja nichts“, aber eben nur fast).
schmollfisch - 11. Apr, 12:27