Ein Loch im Stein
Judith ist ausgezogen
(eine Szene aus meiner Geschichte "Der schwarze Falter")
Neben dem Schlüsselkörbchen lag noch etwas, was sie vergessen hatte – ein ovaler, glatter Stein, weiß und grau gesprenkelt. Ein »Handschmeichler«, so nannte Judith das. Sie hatte eine Schwäche für ausgefallene Steine, die sie auf Schritt und Tritt aufsammelte; die meisten warf sie wieder fort, doch einige begleiteten sie über Jahre hinweg. Einmal, als sie zusammen in Südfrankreich Urlaub machten, hatte sie am Strand einen Stein aufgehoben, der ein Loch in der Mitte hatte.
»Ein Hühnergott«, hatte sie zu ihm gesagt. »Das ist eine Seltenheit.« Und auf seinen fragenden Blick erklärte sie ihm, dass eine stetige und gleichmäßige Strömung einen kleinen Stein durch die Mitte des größeren getrieben hatte.
»Ja, ich verstehe schon, das ist ja nichts Ungewöhnliches«, hatte er ungeduldig geantwortet, »aber warum um Himmelswillen nennt man so ein Ding Hühnergott?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, hatte sie erwidert. »Ich glaube, die Bezeichnung stammt von den Indianern. Vielleicht, weil sie meinen, dass so etwas nur ein kleines Wunder ist – gerade mal groß genug für die Hühner mit ihren kleinen Gehirnen?«
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Das neue Schlüsselwort zur Gelassenheit ist, laut Uta, die Einfachheit. Das Symbol dafür der Kieselstein.
Das ist ein Symbol, das mir unmittelbar einleuchtet. Nichts ist so kompliziert wie die Einfachheit. Ich beschäftige mich zum Beispiel im Hinterzimmer gerade mit dem Möbiusband - das ist so einfach, dass es schon beinahe peinlich ist, und trotzdem unbegreiflich. (Ich zeige morgen Bilder dazu.)
Von Schimanski alias Götz George habe ich gelesen, dass er eigentlich immer der Meinung war, die Drehbücher der Tatort-Krimis seien zu kompliziert, und auf Vereinfachung drängte. Shakespeare hat sich für seine Plots beim Sagengut bedient - und vereinfacht, vereinfacht, vereinfacht. Um desto deutlicher herauszuarbeiten, wie kompliziert der Kern war.
Toni Morrison schreibt über eine ihrer Hauptfiguren in "Menschenkind", ihr flatterten Kolibris unter der Kopfhaut. Man könnte auch einfach hinschreiben: es war Angst, Verzweiflung, Ohnmacht, Lähmung. Aber das wäre zu kompliziert. Sie mag es einfacher.
Ich glaube, es gibt gar keine Einfachheit. Es gibt nur Reduzierung. Den Blick auf das Wesentliche. Den Mikrokosmos. (Der so unendlich kompliziert ist.)
(eine Szene aus meiner Geschichte "Der schwarze Falter")
Neben dem Schlüsselkörbchen lag noch etwas, was sie vergessen hatte – ein ovaler, glatter Stein, weiß und grau gesprenkelt. Ein »Handschmeichler«, so nannte Judith das. Sie hatte eine Schwäche für ausgefallene Steine, die sie auf Schritt und Tritt aufsammelte; die meisten warf sie wieder fort, doch einige begleiteten sie über Jahre hinweg. Einmal, als sie zusammen in Südfrankreich Urlaub machten, hatte sie am Strand einen Stein aufgehoben, der ein Loch in der Mitte hatte.
»Ein Hühnergott«, hatte sie zu ihm gesagt. »Das ist eine Seltenheit.« Und auf seinen fragenden Blick erklärte sie ihm, dass eine stetige und gleichmäßige Strömung einen kleinen Stein durch die Mitte des größeren getrieben hatte.
»Ja, ich verstehe schon, das ist ja nichts Ungewöhnliches«, hatte er ungeduldig geantwortet, »aber warum um Himmelswillen nennt man so ein Ding Hühnergott?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, hatte sie erwidert. »Ich glaube, die Bezeichnung stammt von den Indianern. Vielleicht, weil sie meinen, dass so etwas nur ein kleines Wunder ist – gerade mal groß genug für die Hühner mit ihren kleinen Gehirnen?«
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Das neue Schlüsselwort zur Gelassenheit ist, laut Uta, die Einfachheit. Das Symbol dafür der Kieselstein.
Das ist ein Symbol, das mir unmittelbar einleuchtet. Nichts ist so kompliziert wie die Einfachheit. Ich beschäftige mich zum Beispiel im Hinterzimmer gerade mit dem Möbiusband - das ist so einfach, dass es schon beinahe peinlich ist, und trotzdem unbegreiflich. (Ich zeige morgen Bilder dazu.)
Von Schimanski alias Götz George habe ich gelesen, dass er eigentlich immer der Meinung war, die Drehbücher der Tatort-Krimis seien zu kompliziert, und auf Vereinfachung drängte. Shakespeare hat sich für seine Plots beim Sagengut bedient - und vereinfacht, vereinfacht, vereinfacht. Um desto deutlicher herauszuarbeiten, wie kompliziert der Kern war.
Toni Morrison schreibt über eine ihrer Hauptfiguren in "Menschenkind", ihr flatterten Kolibris unter der Kopfhaut. Man könnte auch einfach hinschreiben: es war Angst, Verzweiflung, Ohnmacht, Lähmung. Aber das wäre zu kompliziert. Sie mag es einfacher.
Ich glaube, es gibt gar keine Einfachheit. Es gibt nur Reduzierung. Den Blick auf das Wesentliche. Den Mikrokosmos. (Der so unendlich kompliziert ist.)
schmollfisch - 20. Nov, 00:36