Ein Mann, ein Fernseher, ein Kaninchen

Auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen ein Mann und ein Kaninchen.
Der Mann schaut einen Film an. Aus dem Fernseher donnert und schrillt es von Trommelwirbeln und Trompetengebrüll. Immer dann, wenn Maschinenpistolen rattern und Querschläger singen, zuckt der Mann zusammen.
Das Kaninchen macht sich nichts daraus. Seit der Mann es zu sich auf das Sofa geholt hat, um nicht so allein zu sein, sitzt es still und wippt mit der Nase.
Wenn sich auf dem Bildschirm zwei Leute küssen, kratzen Geigen dazu. Dann sackt der Mann geduldig in sich zusammen und greift sich ein Sofakissen, um es gegen seine Brust zu drücken. Das Kissen ist ungefähr doppelt so groß wie das Kaninchen.
Die schrillen Obertöne der Geigen gefallen dem Kaninchen nicht. Es mümmelt schneller und hebt ein Ohr in Richtung auf den Fernseher, bis die Leute mit ihrer Küsserei aufhören und wieder Autoreifen quietschen und Maschinenpistolen rattern. Dann legt das Kaninchen die Ohren wieder an und richtet den kastanienbraunen Blick in die nächste Woche. Der Mann aber wacht ruckartig auf und legt das Kissen weg, um gespannt auf den Bildschirm zu starren.

In dem Kasten unter dem Fernseher schnurrt mit rasender Geschwindigkeit eine DVD. In der Mikrowelle dreht sich ein Glasteller, auf dem ein Stück Pizza zum Aufbacken liegt. Der Wasserkocher in der Küche gurgelt vor sich hin. Der Kühlschrank summt. Draußen dreht sich der Mond in aller Ruhe um die Erde und verbirgt seine Rückseite wie immer. Ein sanfter Wind fächelt an den Hauswänden entlang und lässt welke Blätter wirbeln.
All das geschieht, solange die Nase des Kaninchens auf und nieder zuckt, auf und nieder. Manchmal, wenn sie für die Dauer einer Sekunde still steht, steht auch die Welt, und aus der Mündung des Maschinengewehrs kommt ein Zuckerwattewölkchen. Die Pizza in der Mikrowelle bläht sich und platzt, und alle welken Blätter der Herbstnacht kehren plötzlich an die Bäume zurück und hängen herab wie goldbraune Fächer.

Aber das geschieht nur, wenn das Kaninchen aufhört mit der Nase zu wippen. Das Nasenzucken des Kaninchens hält die Welt in Gang.

Blubbern als Kunst!

brille

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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