... so schwammen sie vor den Schiffen her und sangen so wundersam, wie schön es auf dem Meeresgrunde sei ...
(Hans Christian Andersen, "Die kleine Seejungfrau")
Computertomographie
Erste Messung, zehn Sekunden.
In der Röhre. Sie hat die Augen geschlossen, weil gleich über den Augen eine weiße Wand hängt. Rundum weiße Wand. Unter den Kniekehlen klemmt ein Kissen, die Lendenwirbelsäule liegt platt auf dem harten Bett. Die Lider zucken.
Hohles Dröhnen bum bum bum bum.
Nur die Augen nicht öffnen. Nicht bewegen. Der Nacken ist locker, die Stirn entspannt, die Lippen liegen weich aufeinander, die Zunge rutscht zurück gegen den Gaumen. Tief atmen. Tief in den Bauch.
Ein unsichtbares Strahlenfeuerwerk schneidet die Wirbelsäule in Scheiben. Zweite Messung, dreißig Sekunden. Bulum bulum bulum bulum bulum. Tief im Rücken vibriert ein ungehorsamer Nervenstrang. Etwas in ihr sperrt sich gegen dieses Tasten von indiskreten Strahlenfingern. Da, wo die Wirbelsäule einen letzten Knick nach außen macht, vom Bauch weg, und in den verkümmerten, wieder nach vorne weisenden Schwanz übergeht. Dort vibriert es in ihrem Innern wie eine straff gespannte Saite.
Dritte Messung: acht Minuten. Dröhnen und Hämmern. Nicht die Augen öffnen. Die Luft wird drückend in dem engen weißen Rohr. In den Bauch atmen. An etwas Schönes denken. Weiße Strände. Das Schwappen kleiner grüner Wellen. Perlmuttblaue und rosafarbene Schneckenhäuser unter ihren nackten Füßen. Es knackt bei jedem Schritt. Die Zehen graben sich in die feinen Muschelsplitter. Manchmal fährt ein stechender Schmerz in die Beine - von oben her, vom Becken her. Stehen bleiben, die Beine reiben, was ist denn auf einmal los, warum tut das so weh. Im linken großen Zeh steckt eine halbe Muschelschale; beim Herausziehen fließt Blut. Doch der Schmerz in der Leiste ist schlimmer, es sticht bei jedem Schritt. Seit Monaten geht das schon so. Die Ärzte haben Lauftraining empfohlen. Dadurch ist es noch schlimmer geworden.
Jetzt runzeln die Ärzte ihre Stirnen, mannhaft und sorgenvoll. Die neue Diagnose kommt behutsamer. Spinalkanalverengung. Bald werden die Beine lahm sein.
Vierte Messung, eine Minute. Dröhnen. Wum bum wum bum wum bum.
Im Wasser ist sie schwerelos. Die Beine strudeln ganz natürlich durch die Wellen, der Schmerz ist vergessen, die straff gespannte Saite nahe des Steißbeins beruhigt sich und schwingt im gleichen Rhythmus wie die Füße, die das Wasser treten. Noch brennt die Wunde, die die Muschelschale geschnitten hat, aber bald wird das vorbei sein. Nur ganz ruhig atmen, in den Bauch atmen, mit dem Kopf unter Wasser, die Augen mit Grün gefüllt. Die Messung ist zu Ende. Sie wird aus dem engen weißen Rohr gezogen, blinzelt ins Licht. Setzt sich auf. Der Rücken rollt über das kleine harte Schwanzende in ihrem Innern. Sie schiebt die Füße in die Plüschpantoffeln. Warm und weich. Im Aufstehen fährt ein Stich durch die Oberschenkel; sie veratmet den Schmerz, kippt die Füße zum Außenrist hin. Ein feiner Blutfleck färbt den weißen Plüsch. Bald wird auch das vorbei sein, wenn sich das Meer in ihr beruhigt hat.
Computertomographie
Erste Messung, zehn Sekunden.
In der Röhre. Sie hat die Augen geschlossen, weil gleich über den Augen eine weiße Wand hängt. Rundum weiße Wand. Unter den Kniekehlen klemmt ein Kissen, die Lendenwirbelsäule liegt platt auf dem harten Bett. Die Lider zucken.
Hohles Dröhnen bum bum bum bum.
Nur die Augen nicht öffnen. Nicht bewegen. Der Nacken ist locker, die Stirn entspannt, die Lippen liegen weich aufeinander, die Zunge rutscht zurück gegen den Gaumen. Tief atmen. Tief in den Bauch.
Ein unsichtbares Strahlenfeuerwerk schneidet die Wirbelsäule in Scheiben. Zweite Messung, dreißig Sekunden. Bulum bulum bulum bulum bulum. Tief im Rücken vibriert ein ungehorsamer Nervenstrang. Etwas in ihr sperrt sich gegen dieses Tasten von indiskreten Strahlenfingern. Da, wo die Wirbelsäule einen letzten Knick nach außen macht, vom Bauch weg, und in den verkümmerten, wieder nach vorne weisenden Schwanz übergeht. Dort vibriert es in ihrem Innern wie eine straff gespannte Saite.
Dritte Messung: acht Minuten. Dröhnen und Hämmern. Nicht die Augen öffnen. Die Luft wird drückend in dem engen weißen Rohr. In den Bauch atmen. An etwas Schönes denken. Weiße Strände. Das Schwappen kleiner grüner Wellen. Perlmuttblaue und rosafarbene Schneckenhäuser unter ihren nackten Füßen. Es knackt bei jedem Schritt. Die Zehen graben sich in die feinen Muschelsplitter. Manchmal fährt ein stechender Schmerz in die Beine - von oben her, vom Becken her. Stehen bleiben, die Beine reiben, was ist denn auf einmal los, warum tut das so weh. Im linken großen Zeh steckt eine halbe Muschelschale; beim Herausziehen fließt Blut. Doch der Schmerz in der Leiste ist schlimmer, es sticht bei jedem Schritt. Seit Monaten geht das schon so. Die Ärzte haben Lauftraining empfohlen. Dadurch ist es noch schlimmer geworden.
Jetzt runzeln die Ärzte ihre Stirnen, mannhaft und sorgenvoll. Die neue Diagnose kommt behutsamer. Spinalkanalverengung. Bald werden die Beine lahm sein.
Vierte Messung, eine Minute. Dröhnen. Wum bum wum bum wum bum.
Im Wasser ist sie schwerelos. Die Beine strudeln ganz natürlich durch die Wellen, der Schmerz ist vergessen, die straff gespannte Saite nahe des Steißbeins beruhigt sich und schwingt im gleichen Rhythmus wie die Füße, die das Wasser treten. Noch brennt die Wunde, die die Muschelschale geschnitten hat, aber bald wird das vorbei sein. Nur ganz ruhig atmen, in den Bauch atmen, mit dem Kopf unter Wasser, die Augen mit Grün gefüllt. Die Messung ist zu Ende. Sie wird aus dem engen weißen Rohr gezogen, blinzelt ins Licht. Setzt sich auf. Der Rücken rollt über das kleine harte Schwanzende in ihrem Innern. Sie schiebt die Füße in die Plüschpantoffeln. Warm und weich. Im Aufstehen fährt ein Stich durch die Oberschenkel; sie veratmet den Schmerz, kippt die Füße zum Außenrist hin. Ein feiner Blutfleck färbt den weißen Plüsch. Bald wird auch das vorbei sein, wenn sich das Meer in ihr beruhigt hat.
schmollfisch - 28. Jan, 00:49