schmollfisch liest

Manchmal muss ich schallend lachen

... über etwas, was ich selbst geschrieben habe.

Zum Beispiel gerade eben dies:

"Monsieur Aubrière war am Ende seines Lateins. Das war nicht mehr die Frau, der er Treue angelobt hatte, in guten wie in schlechten Tagen, sogar wenn die Auffassungen, was gut oder schlecht sei, entschieden divergierten und am Ende jedenfalls ein dezidiertes Suboptimum herauskam."

Hach, die alten Lateiner. Monsieur Aubriére soll leben. (Ich weiß noch genau, wie er mich vor zwei Jahren aus einem auktorialen Tief zurrte.)

Schallend gelacht habe ich auch über die HP von Johannes Kreidler. Ich weiß nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin; es ging wohl um die Etymologie des Ausdrucks "wie ein Schlosshund heulen". Ja, wie heult eigentlich ein Schlosshund? Heult der schlimmer als ein Reihenhaushund? Johannes Kreidler, ein erfolgreicher Komponist und Tonkünstler, fragt nach und weiß Bescheid. Zum Beispiel, wie sich eigentlich Karnickel vermehren (wie dingens! - man kann ja schlecht pauschal behaupten "wie Karnickel"), wie Schlosshunde heulen und wie der gestern gefallene Schnee tatsächlich aussieht (jetzt bitte nicht antworten: "Wie Schnee von gestern!"). Überhaupt geht Herr Kreidler den Dingen auf den Grund. Und findet beiläufig mancherlei Variationen des bekannten Satzes: "Wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen ..." - "Wenn hinter Griechen Griechen kriechen" kommt schon ulkig, bei "Wenn hinter Rochen Rochen Rochen rochen rochen Rochen Rochen" lag ich vollends unterm Tisch. Ich hab auch noch was beizusteuern: "Wenn hinter Iren Iren irren, irren Iren Iren hinterher." Irrtümer pflanzen sich bekanntlich fort. Wie eine ew'ge Krankheit. Und wer ertrug der Zeiten Spott und Geißel, des Rechtes Aufschub, den Übermut der Ämter, und die Schmach, die Unwert schweigendem Verdienst erweist, wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte ...

Da muss ich an meine Steuererklärung denken. Auch so ein poetisches Werk, das noch geschrieben sein will. Mein Seel, ich weiß nicht zu räsonieren. Aber schallend drüber lachen tut gut.


Edwin Booth als Hamlet, Quelle: Wikipedia

Fähnchen in die Landkarte stecken ...

Bei uns im Hausflur hängt eine Landkarte. (Sie zeigt nur Europa, aber möglicherweise müssen wir demnächst auf Globusformat vergrößern). In der Landkarte stecken unzählige kleine gelbe Fähnchen. Nicht so wie bei der Polizei, wo man markiert, wo der Serienmörder seine sieben Leichen verteilt hat - die Rede ist von mindestens siebenhundert Fähnchen.
Jedes Jahr kommen mindestens dreißig dazu.
Manchmal fragen mich Besucher, was diese Fähnchen bedeuten.
Dann antworte ich: "Das sind die Plätze, an denen wir uns unmöglich gemacht haben."

Bisher haben wir immerhin darauf geachtet, das Umfeld unseres Heimatortes einigermaßen frei von gelben Fähnchen zu halten. In San Gimignano, Ajaccio, Perpignan und Girona kennt uns ja eh keiner, da heißt es höchstens: "Wieder mal Deutsche."
Bis letzte Woche! Da habe ich mitten durch meinen Wohnort ein Fähnchen bohren müssen!
Es fing damit an, dass der Klorollenhalter in unserem Badezimmer kaputt ging. Ich richtete meine Schritte also flugs in Richtung der Firma Blupp & Schwall, Badezimmerausstattungen, da eben jene den bewussten Klorollenhalter eingebaut hatte.
Bei Blupps musste ich ein paar Minuten warten und nahm mir zum Zeitvertreib einen Flugzettel vom Verkaufstresen. Ein ganzer Stapel solcher Zettel lag bereit. Es ging um die Qualität unseres Trinkwassers. Der Flugzettel bestand aus drei aneinander gehefteten Blättern, bedruckt in Times New Roman 18 Punkt, zweifarbig.
Nach dem Lesen einer halben Seite legte ich das Blatt zurück und sagte zu der Empfangsdame am Tresen: "Wer das geschrieben hat, steht wohl mit der Rechtschreibung auf Kriegsfuß!"
Sie lächelte ein wenig schief, sagte aber nichts. Hinterher machte ich mir Gedanken, ob sie dieses Memorandum vielleicht selbst geschrieben hatte - man weiß ja nie. Dann war ich taktlos gewesen. Aber warum eigentlich? Soll sie doch zum Duden greifen und den Zettel noch mal durchgehen, es kann nur besser werden!

Zwei Tage später war ich wieder bei Blupp & Schwall. Diesmal in einer anderen Angelegenheit, aber egal. Jedenfalls habe ich diesmal ein Exemplar des Memos mit nach Hause genommen.
Von Anfang bis Ende durchgelesen.
Und darunter stand: "Wenn ich Ihr Interesse geweckt habe, rufen Sie uns an 1234/56789 Mit besten Grüßen Günther Blupp."
O weia!
Der Rechtschreibhirni war keineswegs die Dame am Tresen. Es war der Chef persönlich!
Seitdem habe ich mich nicht mehr zu Blupp & Schwall getraut. Statt dessen habe ich ein Fähnchen gesteckt. Dorthin, wo das Firmengelände liegt. Praktisch bei mir um die Ecke.

Ein wenig habe ich aber dann über die Sache nachgedacht. Nur ein klein wenig. Ungefähr pausenlos bis heute. So etwa: Muss ich mich jetzt etwa schämen, weil ich darauf hingewiesen habe, dass das Memo voller Fehler steckt? Will Herr Günther Blupp denn nun Kunden oder will er keine? Den Lesern wird ja angst und bange, wenn sie solches Zeug lesen müssen. Wie komm ich denn dazu, mich zu schämen, weil ich die Fehler sehe? Es ist keine Schande, die Rechtschreibung nicht zu beherrschen. Aber wenn man keine Ahnung davon hat, dann schreibt man so ein Memo nicht selbst, sondern nimmt sich jemanden, der wenigstens ungefähr weiß, wie es geht. Schließlich klebe ich meine Klopapierrolle auch nicht mit Spucke an die Wand, sondern lasse mir vom Fachmann einen Halter anbringen, zum Beispiel von Blupp & Schwall. Und so weiter und so weiter. (Ich verwandelte mich schrittweise in eine Figur bei Paul Watzlawick.)

Bis heute.
Da kam ich nämlich auf die Idee, mit dem charakteristischen Satz "Mir viel folgende Aussage auf" auf Googlereise zu gehen. Weit ging die Reise nicht. Es gab nur einen Treffer.
Günther Blupp ist entlastet. Oder sagen wir mal: Er ist bloß Nachfolgetäter und hat das fragliche Memo Wort für Wort von der Website des Haupttäters abkopiert.
Warum allerdings jemand, der ein echtes Anliegen hat, und sei es auch bloß das, dass er Wasserreinigungssysteme verkaufen will - warum so jemand sich nicht die Mühe macht, eine der deutschen Rechtschreibung halbwegs mächtige Person für eine Stunde Arbeit zu bezahlen (länger würde es nicht dauern, dieses mühsame Neusprech in eine lesbare Sprache zu übersetzen), das mag Paul Watzlawick wissen.

pinfahne

Der Ärmste.

Paul liebt seine Mutter über alles. Keiner seiner Schulfreunde kann sich rühmen, eine Mutter zu haben, die ein heruntergekommenes Holzhaus gekauft und ganz allein frisch gestrichen, renoviert und möbliert hat, dazu rundherum einen Garten angelegt, der seinesgleichen sucht ... (und dabei verdient sie auch noch ihren Lebensunterhalt selbst, hat sogar ein eigenes Geschäft). Voll Stolz zeigt sie ihm eines Abends, kurz vor den Schulferien, eine Gartenecke, wo sie eine seltene Orchideenart angesät hat, die Gymnadenia. Über die Ferien geht Paul allein auf Wanderschaft, gemeinsam mit einem Freund ist er drei Wochen unterwegs. Die Gymnadenia wird unterdessen in seiner Phantasie zu einer Wunderblume; er erwartet, die Gartenecke zu exotischer Pracht verwandelt zu sehen. Bei seiner Rückkehr findet er die Blütenzweige der Gymnadenia in seinem Zimmer, von der Mutter in eine Vase gestellt. Es sind winzige weiße Blümchen, die kaum mehr hermachen als Maßliebchen ...
Nichts ist so groß, wie es scheint. Auch seine Mutter nicht, wird ihm später klar.
Als Erwachsener beurteilt Paul seine Familienverhältnisse (die Eltern wurden geschieden, als er noch ganz klein war) gelassener, sieht auch die neue Stiefmutter etwas weniger streng an, wie er sich überhaupt selten herbeilässt, über Mitmenschen Urteile zu fällen. Gesellschaftliche Dummheiten quittiert er mit Ironie, irgendwelche guten Ratschläge nimmt er sowieso nicht an, es sei denn von seiner Mutter, und auch die sieht er mit der Zeit mit etwas mehr Distanz an. Dann nämlich, als er beginnt, sich zum Entsetzen seiner Familie dem katholischen Glauben zuzuwenden: Niemand, dessen ist er sicher, weiß irgendetwas über ihn; niemand kann ihm sagen, was er tun soll, was er anfangen soll mit seinem Leben. Schon gar nicht jemand, der ihm nicht mehr voraushat als ein paar Semester Theologiestudium. Von einem evangelischen Priester nimmt er folglich keine Ratschläge an. Auf wen soll er hören? Nur auf Weisheit, die von direkt von Gott kommt. Sein Weg führt unaufhaltsam und logisch in die katholische Kirche zu den geweihten Priestern.
Doch der Weg bis dahin ist lang. Pauls erste Freundin lässt ihn sitzen, als er dienstreisehalber ein paar Monate weg muss. Bei seiner Rückkehr ist auch sie weg - nicht mal eine verständliche Erklärung findet er. Ein paar Jahre später findet er sich verlobt mit einer Achtzehnjährigen mit Spatzenhirn. Vermutlich ist einer ein geborener Fisch; er wehrt sich nicht, kommt sich vor wie in einem Theaterstück, spielt seine Rolle in dem festen Glauben, es werde sich schon irgendwie einrenken. Nichts renkt sich ein und im Nu ist Paul mit einer Frau verheiratet, die das geistige Niveau einer Nachmittagstalkshow mitbringt. Er arrangiert sich, macht Dienstreisen (inzwischen ist er selbständiger Unternehmer), fühlt sich am wohlsten, wenn er von zu Hause weg ist, lässt im übrigen seiner Frau ihren Willen. Bezeichnend, wie sie beide Paris besuchen: Sie mag nirgends hingehen, wo keine Läden sind; die beiden kommen nicht mal in Notre-Dame. Bezeichnend aber auch, wie Paul alles um sich herum - die platterdings unerträgliche Ehefrau, mit der er immerhin zwei wohlgeratene Kinder hat, die nicht weniger unerträgliche Schwester, die angepinselte Stiefmutter, die entsetzlich bornierte Frau seines Geschäftspartners, den jüngeren Bruder, der Pianist werden will, und überhaupt all das erträgt. Keiner ist darunter, der ihm irgendetwas sagen kann, was sein Leben verbessern könnte; mit keinem kann er auch nur reden. Es gibt überhaupt keine Autorität, kein Besserwissen. Das gibt es nur bei Gott, damit muss er sich abfinden. Und so wird Paul Katholik. Nach und nach, und irgendwann konvertiert er.
Was Pauls Geschichte außergewöhnlich macht, so außergewöhnlich, dass ich eine Woche lang nur Paul war, Paul lebte und Paul atmete - das ist die Distanz, in die mich jene unsichtbare Person zwingt, die mir seine Geschichte erzählt. Letztlich scheint ihn nichts, was um ihn herum oder ihm selbst passiert, etwas anzugehen. Selbst als seine Frau, von er er sich wegen seines Glaubens nicht scheiden lassen kann, ihm tränenreich das Kind eines anderen Mannes unterschiebt - zu allem Übel ein geistesschwaches und körperbehindertes Kind -, nimmt er alles entgegen, wie es kommt. Er duldet keine Einmischung und verurteilt niemanden. Ein wahrer Christ. (Seine entsetzlichsten Momente sind die, als ihm seine reuemütige Frau auf den Knien versichert, er sei ein wahrer Christ!)
Doch!! - da ist ein Leitmotiv, das immer wieder auftaucht - die Randbemerkung "Die Ärmste". Seine erste Braut, die es nie verstanden hat, sich richtig anzuziehen - Jahre später begegnet er ihr wieder und vermerkt als erstes, dass sie noch immer weiße Schuhe trägt, die die Größe ihrer Füße unvorteilhaft betonen. Die Ärmste, noch immer kann sie sich nicht anziehen. Seine Schwägerin, die einst eine gefeierte Sängerin war (oder sich einbildete, eine solche zu sein) und immerfort erzählt, welche Karriere sie ihrer Ehe opferte - die Ärmste. Die Schwester, die den falschen Mann geheiratet hat, die Stiefmutter, die immer die gleichen weißen Perlstecker in ihren dicken Ohrläppchen trägt (sogar das bemerkt er!) - die Ärmste!
Paul ist durch und durch durchsetzt mit der schlimmsten aller Todsünden, dem Hochmut. Kniend unterwirft er sich der göttlichen Allmacht; er schluckt alles, wie es kommt - aber das Stichwort "die Ärmste" durchzieht seine sämtlichen Kontakte zur Außenwelt. Die Erzählerin, die ihn schildert, war ihr das bewusst? Hat sie die Litanei seiner Ärmsten absichtlich so eingesetzt? Oder ist dieses Stichwort ein Bug, mit dem sie nicht nur ihren Helden, sondern auch sich selbst bloßstellt ...?
Und ich mustere besorgt meine eigenen schriftstellerischen Ergüsse. Was verraten sie über mich?
Wikipedia behauptet, die norwegische Literaturnobelpreisträgerin Sigrid Undset würde heute in Deutschland kaum noch gelesen. Ich halte dagegen und empfehle nicht nur ihren Mittelalter-Roman "Kristin Lavranstochter" (kenne ich seit meiner Studentenzeit, einer der ganz wenigen historischen Romane die mir wirklich gefallen haben), sondern auch und vor allem "Gymnadenia" und "Der brennende Busch", die Romane um Paul. Gymnadenia beginnt kurz vor der Jahrhundertwende - der vorletzten, nicht der letzten -; der zweite Band endet zwischen den beiden Kriegen. Vermutlich bekommt man die Bücher nur noch antiquarisch. Ich habe sie, in schöner Lederbindung, vom Speicher meiner Eltern gerettet, ehe das Haus verkauft wurde, und war eine Woche lang nur Paul.

Et incarnatus est

"Jeder weiß, was in Zimmer 101 ist. Was einen dort erwartet, ist das Schlimmste auf der Welt." (George Orwell, "1984")

Inspector Jefe (Chefinspektor) Falcon hat einen Toten vor sich, der sich gleichsam selbst ermordet hat, ohne es zu wollen. Die Leiche ist an einen Stuhl gefesselt, den Kopf in Richtung auf den Fernseher am Stuhl festgezurrt. Man hat den Mann offensichtlich gezwungen, sich etwas anzusehen, was er nicht wollte: er hat sich mit aller Kraft gegen die Fesseln gestemmt. Vergeblich. Sogar die Augenlider sind weggeschnitten. Gestorben ist er an Anstrengung und Angst.
"Der Blinde von Sevilla" von Robert Wilson ist mein zweiter Krimi, der Sevilla während der Karwoche (mit den Marienprozessionen und anschließender Feria) zum Schauplatz hat; der erste war "Semana Santa" von David Hewson. Beide Autoren sind keine Spanier, sondern Spanien-Journalisten. Für Hewson sind die Sevillaner während der Semana Santa entweder betrunken oder fanatisch oder beides. Für Wilson ist Sevilla, auch und gerade in der Karwoche, die fröhlichste Stadt Spaniens; und Inspector Jefe Javier Falcon, der zuvor in Madrid und Barcelona ermittelt hat, ist irgendwie viel zu ernst für Sevilla.
Es gibt mehr und mehr Tote, ein guter Freund Falcons, ein aufstrebender Torero, wird in der Arena vom Stier aufgespießt; Falcons eigene Familiengeschichte, die irgendwie in die Ermittlung involviert ist, eröffnet immer neue grausige Ausblicke. Falcon strampelt seinen Stress auf dem Heimtrainer weg oder geht nachts joggen. Ich will nicht auf den Krimiplot selbst eingehen; am Ende jedenfalls befindet sich Falcon selbst, wie das erste Opfer, in der Situation, dem - für ihn - Schlimmsten auf der Welt ins Auge sehen zu müssen.
Was ich erzählen will, ist das Ende, denn es ist einfach wunderschön:
Falcon lebt allein - sein Vater, ein Modemaler, hat ihm ein Riesenhaus in Sevilla hinterlassen. Für seine, also Falcons tägliche Bedürfnisse sorgt eine Haushälterin namens Encarnacion (zu deutsch die Inkarnation oder Fleischwerdung, klingt komisch, ist aber ein gängiger spanischer Frauenname). Falcon weiß von Encarnacion nur, dass sie jenseits der Fünfzig ist, sein Haus in Ordnung hält und ihm eine warmgestellte Mahlzeit hinterlässt; er bekommt sie nie zu Gesicht. Gegen Ende des Romans aber, als er völlig niedergeschmettert vom Ergebnis seiner Ermittlung und der Begegnung mit dem Mörder, durch die die Innenstadt wankt, tritt im aus aus einer Bodega plötzlich eben diese Encarnacion gegenüber. Ach, Senor Falcon, wie schön, dass wir uns hier begegnen, tanzen Sie eine Sevillana mit mir! Er folgt ihr, nicht zur Gegenwehr fähig. Und mit den ersten Takten der Sevillana (meine Tochter tanzt Sevillanas, von daher weiß ich, dass die ersten Takte nicht getanzt werden, sondern stehend voll Vorfreude mitgeklatscht) verwandelt sich diese kleine dicke Frau von weit über fünfzig in eine verführerische, stolze spanische Schönheit, und Falcon tanzt mit ihr die Sevillana. Plötzlich ist alles Hier und Jetzt: Endlich ist Falcon nicht mehr zu ernst für Sevilla.
Allein um dieses Ende lohnt sich das ganze Buch.
(Aber Vorsicht: Es ist grausig.)

Der Hahn lebt noch ...



Hier schon angesprochen ...

Ich wollte, ich hätte dieses Buch in einer Leserunde gelesen. Jetzt ist es leider zu spät, eine anzuregen, sonst hätte ich es bei den Büchereulen versucht.
Vor Jahren hat mir der Autor mal einen Abschnitt zum Lesen gegeben. Den habe ich ihm damals zurückgereicht mit der Bemerkung, der Protagonist sei mir unerträglich. Mehr oder weniger stimmt das auch heute noch, aber im Gegensatz zu früher lief ich diesmal nicht Gefahr, das Buch nach zwanzig Seiten entnervt wegzulegen. Das kann natürlich daran liegen, dass ich die Exposition kannte und daher wusste, wohin der Plot letztlich steuern wird. Aber es kommt noch etwas dazu: Die Unerträglichkeit des Protagonisten beginnt schleichend. Im ersten Kapitel liegt er samstagmorgens im Bett und sinniert vor sich hin, dann (im zweiten) geht er ins Bad und rasiert sich. Es fängt also ganz gemütlich an. Er denkt so vor sich hin und vieles, was er sich denkt, ist vermutlich genau das, was die Leser auch beim Rasieren denken. (Gut, ich als Frau vielleicht nicht, aber ich kann's mir vorstellen.) Ein wenig Tom steckt in uns allen.

Unerträglich wird Herr Trabandt, wenn es um Frauen geht; dann steigert er sich allerdings enorm. Wir distanzieren uns zusehends und beobachten, wie sich Herr T. immer tiefer in seine Hybris aus Selbstbetrug und wahnhafter Siegesgewissheit verstrickt. Man kommt zuweilen auch nicht um widerwillige Bewunderung herum, etwa bei den Szenen, die er seiner Frau macht (oder sie ihm) - ein Wort gibt das andere, jedes zielgenau und treffend. Wenn das bei mir zu Hause auch so funktionierte, dann würde ich viel öfter mit meinem Mann streiten, so macht es einfach Spaß! Übrigens hatte ich, obwohl ich Beischlafszenen i.d.R. verabscheue - sie kommen mir immer vor wie etwas, was gleichsam abgearbeitet werden muss, ebenso wie der Folterkeller in einem mittelalterlichen Roman - auch bei Herrn T.s Treffen mit seiner Geliebten meinen Spaß. Ich sage nur: Leute, esst mal wieder Katzenzungen! (Wer kennt die nicht aus seiner Kindheit? Und wer käme darauf, die als Erwachsener essen zu wollen ... wenn nicht so??)

Wenn ich einen Vergleich ziehen sollte, würde ich bei diesem Buch am ehesten an Ingrid Noll denken: "Der Hahn ist tot". Tom Trabandt ist eben jener Hahn. Geschwätzig, selbstgerecht, halbintellektuell; obendrein ein Schreibender, schlimmer geht's kaum noch, ich als Schreibende weiß das. Doch wenn es um seine Interessen geht, besitzt er plötzlich die gleiche skrupellose Durchschlagskraft wie Ingrid Nolls Rosemarie Hirte. (Natürlich weitaus beredter, da Her T. ein Bildungsbürger ist und folglich mehr quatscht, auch mit sich selbst - "Adieu Irene" ist zum Großteil in erlebter Rede geschrieben; ein amüsanter Blick ins männliche Stammhirn.) Ingrid Noll lässt ihre Antiheldin am Ende im Klinikbett für ihre Untaten büßen. Das kam mir immer wie ein Kunstgriff vor, um den Leser zu versöhnen, der meint, dass die Frau nicht so davonkommen dürfe. Holger Bischoff baut seinen Plot in dieser Hinsicht geschickter: Was Tom Trabandt widerfährt, erinnert an die alte Judoregel, dass man die Energie des Angreifers auf ihn zurücklenken soll. In "Adieu Irene" ist der Hahn am Ende nicht tot. Aber sein Misthaufen, auf dem er krähte, ist ihm genommen. Hinterrücks. Und es bleiben ihm nur ein paar Kötel. (Die allerdings lässt er sich nicht nehmen. Nicht Tom!)

"Adieu Irene" gibt es hier bei Amazon oder im Elf Uhr Verlag Lauterbach. Ich fand's gut und wünsche mir nach wie vor, Herrn T.s Bücher würden gedruckt. Das eine mit der Titanic war wohl nicht so der Knaller, aber das andere, das mit dem Lektor, das würd' ich kaufen.

Ertappt

Linda Wallander, Tochter des Mankell-Kommissars und selbst Polizistin, hat die unangenehme Gewohnheit, mit einem Blick andere Frauen auf Mängel und Fehler abzusuchen: die Kollegin ihres Vaters hat ein Loch im Strumpf und ist zu stark geschminkt, eine Zeugin hat sich offenbar wochenlang die Haare nicht gewaschen, eine andere sieht viel schlaffer und hinfälliger aus, als sie dem Alter nach sein dürfte. Und natürlich sind alle, alle dicker als Linda. Was dächte die wohl über mich? Ich gehe ihr besser aus dem Wege.
Immerhin hat Linda die Entschuldigung, die Erfindung eines männlichen Autors zu sein. Woher soll der auch wissen, was Frauen im Kopf haben, vielleicht stellt er es sich einfach so vor.




Keine Entschuldigung hat Tom Trabandt, fast 50 Jahre alt, Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch in einer hessischen Kleinstadt - er ist die Erfindung eines Mannes und bestätigt irgendwie alles, was Frauen schon immer über Männer gewusst haben. Mein Autorenfreund Holger Bischoff hat ihn zwar gut erfunden, aber kein gutes Haar auf ihm gelassen - abgesehen vielleicht von einem bissigen, aber leider nur allzu oft auch bloß kalauernden Humor. Herr Trabandt (ich mag ihn nicht Tom nennen, denn Frauen, die mit Tom Brüderschaft trinken, haben schlechte Karten) ist das Musterbeispiel eines Kleinstadt-Machos, der gegenüber der schicken neuen Kollegin den schlichten Satz "Ich liege unter Ihnen" (das bezieht sich auf die Anordnung der Fächer im Lehrerzimmer) so ausspricht, dass man das Quietschen des Lattenrosts mitzuhören meint. An seiner eigenen Frau Irene ist ihm so gut wie gar nichts recht; vor allem vermerkt er im stillen unermüdlich ihre Grammatikfehler: "Ich wollte dich eben noch einmal gerufen haben" verkündet sie, als er endlich zum Frühstück erscheint, was er (im Geiste) mit "Göttlich!" kommentiert - und das passiert immer wieder.
Ich habe erst bis Seite 125 gelesen und Herr Trabandt (dieser Drecksack) hat noch nicht merklich Federn lassen müssen, obwohl mir Holger Bischoff das versprochen hat. Aber das Buch ist ja mit über 400 Seiten noch lang genug. Und einstweilen mache ich mir das Vergnügen, dem Trabandt die kleinen Fehler aufzulisten - in einer Art geistiger Excel-Liste, ganz wie er selbst es gegenüber seiner Frau tut. Nachdem er Irene eingehend erklärt hat, dass die klassische Mordmethode "Fön ins Badewasser" in modernen Häusern nicht funktioniert, fragt er (ganz Lehrer) rhetorisch: "Und was lernt uns das?" Autsch! Immerhin findet der Gymnasiallehrer für Deutsch in seinem nächsten Satz zu seinem besseren Selbst zurück: "Das lehrt uns, dass ein Mord geplant sein will!"
Könnte das ein Redaktionsfehler sein oder hat der arglistige Autor hier seinem Tom absichtlich Schmierseife unter die lehrerhafte Rede gepinselt? Ausgeglitscht! Hinreißend sind auch Herrn Trabandts Versuche, Irene seinen dramatischen Roman zu erklären, an dem er gerade schreibt. Zwischen Herd und Anrichte liest er ihr vor: "Die See lag ruhig, die Maschine stampfte gleichmäßig und dicke Rauchwolken dampften aus den vier mächtigen Schornsteinen." Die Rede ist von der Titanic. Wollen wir doch mal sehen, ob Herr Trabandt sich da nicht wieder vergaloppiert, denkt sich der Schmollfisch und schaut ins Wiki. Ja, die Titanic hatte vier Schornsteine. Aber - der vierte war eine Attrappe und hatte gar keine Verbindung zur Maschine! Ha! Da hamse nicht orntlich rescherschiert, Herr Tom Trabandt! Schmollfisch kann nicht umhin, sich im Geiste schadenfroh die Flossen zu reiben. Vielleicht ist das genau die Ecke, in welcher der Autor seinen Leser haben will.

"Adieu Irene", Untertitel: "Umsonst ist der Tod" (im Bild oben steht als Untertitel noch "Eine mörderische Männerfreundschaft"; vermutlich eine ältere Auflage), erschienen im Elf Uhr Verlag Lauterbach - übrigens ein kleiner, feiner Verlag, der sehr engagiert arbeitet, und ein Buch, dem man die Kleinverlagsproduktion absolut nicht ansieht. Ich bin neugierig, wie es weitergeht. Schließlich gibt es noch eine deftige Krimiverwicklung, so viel weiß ich schon - und Herrn Trabandts Handling mit dem Fön, während seine Frau in der Wanne liegt, lässt nichts Gutes ahnen. Ich berichte weiter.

Macken-Outing - noch'n Stöckchen

EndlosFaden warf mir dieses Stöckchen zu, das ich gern aufnehme; die einzige Schwierigkeit ist die Entscheidung, welche meiner vielen Macken ich oute und welche ich für mich behalte ...

1. Setze einen Link zu der Person, welche dir das Stöckchen zugeworfen hat.
... siehe oben

2. Erwähne die dazugehörigen Regeln in deinem Blog.
Regeln? Na ja, Stöckchenspender, 6 Macken und Stöckchennehmer nennen.

3. Erzähle von dir 6 unwichtige Dinge/Gewohnheiten/Macken.
Nur sechs?? Da fällt die Wahl schwer ...

1st: Wenn ich mich weiter als 5 km von meinem Zuhause entferne, nehme ich ein Buch, eine Flasche Wasser und oft auch eine Handarbeit mit.
Ich lese auch auf dem Klo, beim Baden und beim Zähneputzen.

2nd: Wenn ich durch eine Tür gehe, schlage ich mit den Fingerknöcheln gegen den Türrahmen. Nicht jedesmal, aber bei drei Türen mindestens einmal.

3rd: Ich kaue ständig auf meiner Unterlippe. Meistens sieht man es ihr an, ich habe sie schon oft kaputtgekaut.

4th: Ich kann Bücher immer wieder lesen; es gibt ein paar Bücher, die ich jahrelang jedes Jahr einmal gelesen habe. Allen voran "Madame Bovary", aber durchaus auch schundige.

5th: Wenn ich ein bestimmtes Interessengebiet im Fokus habe, trage ich wie ein traumatisierter Hamster alles zusammen, was ich darüber finde. Ich habe ein ganzes Regalbrett mit Literatur über den Don Juan, eines mit Literatur über die Familie Borgia und eines über van Gogh ... diese Macke habe ich inzwischen einigermaßen im Griff, da sie viel Geld kostet.

6th: Eine sehr schlimme Eigenschaft: Ich kann mich oft nicht aufraffen, Dinge zu tun, von denen ich genau weiß, dass sie entweder wirklich dringend sind und überdies nur drei Minuten dauern oder mir eigentlich Spaß machen würden, könnte ich mich nur aufraffen.



4. Gib das Stöckchen am Ende deiner Antworten an 6 Leute durch Verlinkung weiter.

Azahar
rosmarin
Traveller
... Svashtaras Macken kenne ich schon, jedenfalls kann ich mich an eine Geschichte mit sechzehn benutzten Wassergläsern erinnern ...
Vielleicht möchte SuMuze aufnehmen?
Und natürlich bröselbäumchen!

Mein erstes Stöckchen

... nach über einem Jahr Bloggen! Übernommen von Wallys Schreiblust.

1. Greife das Buch, das dir am nächsten ist, schlage Seite 18 auf und zitiere Zeile 4.
Zeile 4: 3 Do not break wool throughout. 4 The center of the shawl is patterned with con-
Der ganze Satz lautet:
The center of the shawl is patterned with concentric squares of eyelet. (Aus "Shawls And Scarves, The Best Of Knitter's Magazine".

2. Strecke deinen linken Arm so weit wie möglich aus. Was hältst du in der Hand?
Ein USB-Kabel, habe heute Fotos hochgeladen.

3. Was hast du als letztes im Fernsehen gesehen?
Eben gerade "Krieg der Welten" mit Tom Cruise, den ich normal nicht leiden kann, aber der Film ist saugut. Nur die Außerirdischen finde ich nicht geglückt.

4. Mit Ausnahme des Computers, was kannst du gerade hören?
Capriccios von Bellerofonte Castaldi, um 1600.

5. Wann hast du den letzten Schritt nach Draussen getan?
Heute nachmittag, ein flotter Gang durch den Wald mit meiner Tochter.

6. Was hast du gerade getan, bevor du diesen Fragebogen begonnen hast?
Bei Uta-Traveller ein schönes Fischgedicht gelesen.

7. Was trägst du gerade?
Hah! Meinen Scuba-Pullover!

8. Hast du letzte Nacht geträumt?
Kann mich nicht erinnern. Aber meine Tochter erzählte mir heute, sie hätte geträumt, dass sie den Hasenfutternapf für irgendwas im Garten zweckentfremdet hätte und ich dazu gesagt hätte: "Also das könnte ich nicht, den Hasenfutternapf für irgendwas im Garten zweckentfremden!"

9. Wann hast du zum letzten Mal gelacht?
Sehr viel gelacht habe ich gestern in der Spinnstube, aber ich weiß nicht mehr worüber genau. Es war einfach nur schön. Ich kann mich meist nicht erinnern, worüber ich zuletzt gelacht habe, dazu lache ich zu viel.

10. Hast du kürzlich etwas Sonderbares gesehen?
In meinem Kühlschrank ist irgendwas ausgelaufen. Der Boden des Gemüsefachs klebte von Öl oder so was Ähnlichem, sieht aus wie Pesto, aber ich finde kein kaputtes Glas. Wahrscheinlich ölt da ein Außerirdischer herum. Macht nichts, solange er nicht aussieht wie Tom Cruise.

11. Was war der letzte Film den du gesehen hast?
Fernsehen ist wohl nicht gefragt, das hatten wir schon oben ... ins Kino gehe ich höchstens einmal im Jahr, ich fühle mich dort nicht wohl. Das Letzte, was ich im Kino gesehen habe, war (glaube ich, es ist mindestens ein Jahr her) ein Film mit dem wunderbaren Daniel Auteuil, "La Veuve de Saint-Pierre", im Original zwar, aber ich habe im wesentlichen verstanden, worum es ging. Der letzte DVD-Film dürfte "Bugs" gewesen sein. Wenn ich den im Kino gesehen hätte, hätte ich danach das Eintrittsgeld zurückverlangt.

12. Was würdest du kaufen, wenn du plötzlich Multimillionär wärst?
Keine Ahnung, was ich mir persönlich wünsche, kann ich mir auch so leisten. Es wäre schön, wenn mein Mann in Vorruhestand gehen könnte. Wahrscheinlich würde ich ernsthaft übers Auswandern nachdenken, in die Schweiz zum Beispiel.

13. Sag mir etwas über dich, was ich noch nicht wusste.
Hm, hier habe ich editiert und sage jetzt: Ich trage eine Prothese, aber ich verrate nicht, wo. *ggg*

14. Tanzt du gerne?
Nein, die Musik, die ich mag, ist dazu ungeeignet.

15. George Bush:
Hm, was? Ist das eine Frage?

16. Stell dir vor, dein erstes Kind wäre ein Mädchen. Wie würdest du es nennen?
Mein erstes Kind ist ein Mädchen. Mein zweites auch.

17. Und einen Jungen?
Keine Ahnung. Eine Freundin erzählte mir vor dreißig Jahren, sie wolle, falls sie einen Sohn bekäme, ihn unbedingt "Jan Gerson" nennen. Als zehn Jahre später bei uns beiden das Thema Namensgebung anstand, sagte sie zu mir: "Ich kann ja absolut nicht verstehen, dass Du einen Sohn Jan Gerson nennen würdest, so ein blöder Name!" Ich konnte dementieren wie ich wollte, sie dachte, der Name sei meiner.
Ich mag französische Vornamen: Patrice, César, Thierry. David mag ich, aber er passt nicht zum Nachnamen. Jetzt komm ich ins Grübeln ... aber was solls, die nächsten Namen vergeben meine Töchter. Wenn sie wollen.

18. Würdest du es in Erwägung ziehen, auszuwandern?
Ja, ja, ja. Ich finde Deutschland von Jahr zu Jahr unerträglicher. Aber ob es im Ausland anders ist ...
Ich würde gern irgendwo wohnen, wo die Administration sich nicht derart ins Privatleben einmischt wie hier. In Deutschland laufen Dinge, die in meiner Jugend NIE hätten durchgesetzt werden können, da hätten alle "Überwachungsstaat" geschrien. Aber mehr sag ich nicht dazu, ich diskutiere im Internet nicht über Politik, Nachfragen zwecklos.

19. Was würdest du Gott sagen, wenn du das Himmelstor erreichst?
Danke, dass ich nicht unten gelandet bin, ist mit Sicherheit unverdient, und kenn ich hier überhaupt jemanden?

20. Jemand, der das hier auch beantworten soll?
Ich wüsste mehrere zu nennen, aber ich will keinen auffordern.

Wie wär's mit einem kleinen Ausritt?

Irgendwann hat es in meiner Familie ein richtiges Fury-Buch zum Lesen gegeben. Vermutlich gehörte es meinem Bruder. Als ich die alten Kinderbücher aus dem Speicher räumte, habe ich danach gesucht; es blieb ebenso unauffindbar wie mein Kater Mikesch-Buch. Aber manches prägt sich unauslöschlich ins kindliche Gehirn, auch wenn man das ganze Drumrum längst vergessen hat. Im Haushalt von Jim, Pete und Joey gab es einen Gast namens Red Baker, der auf der Farm aushalf oder es vielmehr versuchte. Er spielte recht schön Hillbillie-Balladen auf der Gitarre, war aber zu dumm, aufrecht auf einem Pferd zu sitzen. Red Baker verfolgte eine Geldfälscherbande, die ihr Unwesen in der Gegend trieb. Natürlich sprach er nicht offen darüber. Als Jim ihm den ersten Lohn auszahlte, besah er sich sogar misstrauisch die Dollarscheine und fragte, ob er denn sicher sein könnte, dass die nicht aus der Werkstatt der Geldfälscher stammten. Jims Antwort: "Da kannst du sicher sein. Ich habe das Geld selbst letzte Nacht auf meiner privaten Druckerpresse gedruckt."
Ich erinnere mich so gut daran, dass ich sogar noch weiß, wo der Zeilenumbruch war: "ge-druckt" war getrennt.
Wann habe ich das gelesen? Ich kann nicht älter als acht Jahre gewesen sein, eher sogar jünger. Denn ich weiß noch genau, dass ich den Witz nicht verstand. Ich dachte, es gehöre irgendwie zum System, dass gesetzestreue american citizen eine Druckerpresse im Keller haben, auf der sie Geld drucken, wenn sie welches brauchen. Mir kamen nie irgendwelche Zweifel, dass dieses System funktionierte. Natürlich hatten wir selbst zu Hause keine Möglichkeit, Geld zu drucken, obwohl mein Papa Bänker war. In dieser Hinsicht war das deutsche System dem amerikanischen unterlegen.
Die Geschichte liegt in meinem Hinterkopf als etwas, was so stimmt. Gestern abend (übrigens während einer Fernsehdiskussion über die deutsche Steuermoral und die Vorbildfunktion von Großverdienern) fiel sie mir wieder ein, und heute abend, über vierzig Jahre später, rückte mein Bewusstsein sie endlich gerade: Jim hat einen Witz gemacht.
Höhö.

Mies

Ein richtig schöner Film, ein Film für die ganze Familie: "Zimmer 1408". Der Fisch hat ihn gleich zweimal kurz hintereinander gesehen. Einmal zur Absicherung, ob da auch kein Blut spritzt oder so, dann nach Entwarnung gemeinsam mit den Fischtöchtern.
John Cusack (hah! Auf den steht seitdem der Fisch!) ist Spukzimmerforscher. Im Rahmen einer Recherche verbringt er eine Nacht im Dolphin Hotel, Zimmer 1408 (es liegt natürlich im dreizehnten Stock). Bisher hat es noch niemand länger als eine Stunde in diesem Zimmer ausgehalten. Schon 56 Gäste hat es zur Strecke gebracht. Cusack versucht den Hotelmanager auszuholen, was das Zimmer denn mache - die Antwort lautet: "Es ist einfach ein verdammt mieses Zimmer."
Im amerikanischen Original kommt das übrigens bei weitem nicht so schön, da heißt es "a fucking evil room". Nun ist evil ja was anderes als mies; evil hat was Erhabenes, Stichwort gefallener Engel und so; mies ist einfach nur klein und dreckig. Zimmer 1408 tut sein Bestes, Cusack zu bewegen, dass er endlich Land gewinnt. Es nützt nichts. Selbst als das Zimmer so tut, als sei es das einzige Zimmer überhaupt in diesem Riesenhotel und ansonsten gäbe es nur dicke Wände, leistet Cusack Widerstand. Wie auch immer. Jedenfalls legt er gegen Ende des Films einen Brand in dem Zimmer. Die Feuerwehr kommt und muss den halb Bewusstlosen unter dem Couchtisch hervorzerren. Er röchelt mit letzter Kraft: "Gehen Sie nicht in dieses Zimmer! Es ist MIES!"
Der Film hat seine Höhen und Tiefen, aber dieser Satz bringt's einfach, schon allein deshalb lohnt sich das Anschauen. Tags darauf sucht der Fisch sein Frühstücksbuch ("Beethoven und der schwarze Geiger" von Dieter Kühn; Himmel, das zieht sich) und findet es mit einem darangehefteten Klebezettel: "Lesen Sie nicht dieses Buch! Es ist MIES!" Na gut, der Klügere gibt nach, der Fisch fährt den Rechner hoch und schaut ins Forum. Prompt poppt es auf: "Treten Sie nicht in dieses Forum! Es ist MIES!" Seines Tagewerks gewahr begibt sich der Fisch in den Keller, um dem Tankraum einen neuen Anstrich zu verpassen, und findet an der Stahltür einen Zettel: "Streichen Sie nicht dieses Zimmer! Es ist MIES!" Irritiert latscht der Fisch in die Waschküche nebenan und sieht als erstes einen Zettel am Wäschekorb - richtig geraten. An der Strickmaschine, am Kühlschrank, am Fernseher sowieso (da zuerst!), alles "MIES!"

Damit könnte die Geschichte enden. Dann legt der Fisch halt die Flossen in den Schoß und tut mal gar nichts. (Auf der Chipstüte pappt bisher kein Zettel.) Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn heute morgen, kurz nach dem Aufwachen, beschlich den Fisch das dumpfe Gefühl, dass irgendwas nicht so ist wie sonst im Fischkontinuum. Er griff sich an die Stirn und ertastete einen Zettel, der dort klebte.
Je nun.
Dann eben nicht.

Blubbern als Kunst!

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