Geworfen VII

Ins Leben geworfen


Der diesjährige Abiball der Absolventinnen der F.-Schule in M. (ein reines Mädchengymnasium) war für die ehemalige Jahrgangsstufe 13 kein Erfolg: Kaum eine Lehrerin, kaum ein Lehrer hatte Lust gehabt, eine Karte für die Veranstaltung zu kaufen.
Die Schülerinnen waren mit Eltern, Geschwistern und Freunden unter sich. Nicht einmal die LehrerInnen der Leistungskurse waren erschienen.
»Wir sind sehr enttäuscht«, erklärte die 19jährige Sarah-Lara aus M., Sprecherin der Jahrgangsstufe. »Bei solchen Anlässen wünscht man sich, dass auch die Lehrer ein Abiturzeugnis bekämen!« Ein solches steht zwar nicht zur Debatte, aber verärgert und traurig seien die Abiturientinnen auch deshalb, weil sie den Wunsch gehabt hätten, »sich bei den Lehrerinnen und Lehrern angemessen zu bedanken, vielleicht sogar ein kleines Geschenk zu überreichen.« In mehreren Klassen haben alle Schülerinnen zusammengelegt, um ihren Lehrern zum Abschied ein kleines Dankeschön in die Hand drücken zu können. Dazu kommt es nun nicht mehr. »Wir werden sehen, was wir damit anfangen«, kündigt Sarah-Lara an, »notfalls teilen wir die Geschenke einfach unter uns allen auf!«
In den letzten Tagen des Schulhalbjahres machte die Jahrgangsstufe 13 Ernst mit diesem Plan. Ganz einfach ging es mit dem Rosenstrauß für die Deutschlehrerin Frau Dr. M.-B.: anlässlich eines letzten Treffens auf dem Schulhof wurden die Rosen unter den 37 Schülerinnen des Jahrgangs verteilt; die drei übrig gebliebenen Rosen bekam eine zufällig vorübergehende türkische Putzfrau geschenkt. Ebenso verfuhren die Mädchen mit der Pfundschachtel Pralinen für Herrn K., Lehrer für Politik und Wirtschaft. Eine Premierenkarte für »Rigoletto« am Schlosstheater in M. verknobelten die einzigen beiden Schülerinnen, die sich für Oper interessieren, unter sich; gedacht war sie eigentlich für den Musiklehrer Herrn D. »Pillowsars Of The Earth« von Ken Follett, gedacht für die Englischlehrerin Frau Dr. K., ging an die städtische Bibliothek, weil keine Schülerin es haben wollte (und auch nicht die türkische Putzfrau). Eine gebundene Ausgabe von »Gödel, Escher, Bach« für den Mathematiklehrer Herrn W. fand hingegen so großes Interesse, dass die Schülerinnen das Buch zerlegten und die einzelnen Kapitel unter sich verteilten.
Als letztes blieb eine Karte für einen Tandem-Gleitschirmflug auf der Wasserkuppe, vorgesehen als Abschiedsgeschenk für den Physiklehrer Herrn F.-Sch.
Eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Die gesamte Jahrgangsstufe 13 verabredete ein weiteres Treffen auf der Wasserkuppe, eine Woche später, wenn das Wetter sich gebessert haben sollte.
Seitdem hat man nichts mehr von den 37 Mädchen gehört. Aber in den Niederungen des Magerrasens sollen in der Folgezeit zerfledderte Einzelseiten aus »Gödel, Escher, Bach« gefunden worden sein.
Einen schönen Gruß von der geistigen Elite der Domstadt M.

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"Es gibt in der geistigen Welt weitaus mehr Gnade, als sich der Mensch vorstellen kann."
(Meridian 2/2012)

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